Als der Radentscheid 2018 positiv beschieden wurde, haben wir uns als leidenschaftliche Radfahrer natürlich sehr gefreut. Wir hatten damals gehofft, dass nun endlich dafür gesorgt wird, dass man sein Fahrrad wieder ohne Angst vor Diebstahl in der Stadt abstellen kann, dass die unzähligen und für Radfahrer so extrem gefährlichen Schlaglöcher endlich ausgebessert und dass die vielen Stufenbrücken endlich fahrradfreundlich begradigt werden. Leider müssen Radfahrer fünf Jahre nach dem Radentscheid ernüchtert konstatieren, dass all ihre Hoffnungen nicht nur nicht erfüllt wurden, sondern dass sich die Situation sogar noch weiter verschlechtert hat. Heute ist es noch gefährlicher als damals, sein Fahrrad in der Stadt abzustellen. Die gefährlichen Schlaglöcher sind in den letzten Jahren nicht weniger, sondern mehr geworden, und anstatt die vielen gestuften Brücken fahrradfreundlich abzuflachen, werden beliebte Fahrradbrücken einfach komplett gesperrt, wie beispielsweise die Welscher-Weg-Brücke oder die Trichterfeldschneise-Brücke. Darüber hinaus müssen unideologisch analysierende Radfahrer auch noch feststellen, dass die überwältigende Mehrheit der bisher im Rahmen der Verkehrswende ergriffenen Maßnahmen überhaupt nicht fahrradfahrerfreundlich sind, sondern lediglich autofahrerfeindlich, einzelhandelsfeindlich, rettungsfahrzeugfeindlich, umweltfeindlich, gastronomiefeindlich, kulturfeindlich und alten- und behindertenfeindlich. In diesem Kontext haben wir auch schon berichtet, dass die kürzlich von der HUK in Auftrag gegebene Mobilitätsstudie nun wissenschaftlich bestätigt, was wir schon lange wissen und immer wieder kritisieren: Die massenhafte Vernichtung von Parkplätzen und die Schaffung einer maximal schikanösen Verkehrsführung führen dazu, dass immer weniger kaufkräftige Autofahrerkunden aus dem Umland zum Einkaufen und Verweilen in die Innenstädte kommen. Laut der HUK-Mobilitätsstudie gaben 33 Prozent der Befragten an, aufgrund der dramatisch verschlechterten Verkehrssituation seltener in die Innenstadt zu fahren. 19 Prozent der Befragten gaben zudem an, weniger innerstädtische Kultureinrichtungen wie Theater, Museen, Kinos und Restaurants zu besuchen. Leidtragende dieser Entwicklung sind allerdings nicht nur Gastronomen, Einzelhändler, Gewerbetreibende und Kulturschaffende, sondern letztendlich alle Bürger. Die HUK-Studie belegt zudem, dass die Bürger eine zunehmende Abneigung gegenüber öffentlichen Verkehrsmitteln entwickeln und das Auto sich wachsender Beliebtheit erfreut. Ganze 69 Prozent der Befragten gaben an, dass ihrer Meinung nach das Auto die zukünftigen Anforderungen am besten erfüllt (Autos mit klimaneutralem Antrieb sogar 72 Prozent). Das Fahrrad hat dagegen extrem stark an Bedeutung verloren. Während im Jahr 2021 noch 26 Prozent der Befragten der Meinung waren, dass das Fahrrad das beste Fortbewegungsmittel der Zukunft sei, waren im Jahr 2024 nur noch 16 Prozent dieser Meinung. Damit dürfte endgültig unstrittig sein, dass die rein autofahrerfeindliche Stadtverödungspolitik klar gegen die altruistische Maxime des universell gültigen Utilitarismus verstößt, die besagt, dass wahrhaft moralisches Handeln immer danach streben sollte, für eine maximal große Anzahl von Menschen das größtmögliche individuelle Glück zu erzeugen. Nun jährt sich dieses Jahr der Geburtstag von Immanuel Kant zum dreihundertsten Mal. Dieses Jubiläum sollten die verantwortlichen Initiatoren der aktuellen Verkehrspolitik wirklich zum Anlass nehmen, den kategorischen Imperativ mit der Maxime des universell gültigen Utilitarismus zu kontextualisieren und die moralischen Grundlagen ihrer Verkehrspolitik völlig neu zu evaluieren.
Hier sehen wir übrigens eine der vielen gestuften Brücken, die man mit minimalem Aufwand maximal fahrradfahrerfreundlich machen könnte.