Lars Klingbeil, der geniale Verhandler und eloquente Bundesvorsitzende der SPD, hat verlauten lassen, dass er erwartet, dass Wirte die anstehende Mehrwertsteuersenkung auf Speisen selbstverständlich durch entsprechende Preissenkungen an ihre Gäste weitergeben werden. Er betonte dabei, dass das natürlich keine Drohung sei, er die Sache aber ganz genau beobachten werde.
Die bedrohliche Undrohung ist wirklich erstaunlich. Immerhin müsste Herr Klingbeil als amtierender Finanzminister doch wissen, dass die geplante Verquickung von Mehrwertsteuersenkung auf Speisen bei gleichzeitiger Mindestlohnerhöhung die hart gebeutelte Speisegastronomie als klassische Mindestlohnbranche nicht wie von ihm insinuiert entlastet, sondern im Gegenteil massiv belastet. Auch müsste er wissen, dass die Gastronomie weit überproportional auf andere klassische Mindestlohnbranchen wie Wäschereien, Gebäudereinigung, Lebensmittelerzeugung oder Entsorgungswirtschaft angewiesen ist und über diesen Umweg einen weiteren extern induzierten Kostenschock erleiden wird.
Ob Herr Klingbeil die einfachsten ökonomischen Zusammenhänge tatsächlich nicht versteht oder ob er mit populistisch geframter Rhetorik versucht, die öffentliche Meinung gezielt gegen eine Branche aufzubringen, die ohnehin schon mit dem Rücken zur Wand steht, wissen wir natürlich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit. Was wir aber seit der Konsultation des DEHOGA-Wahl-O-Mat ganz genau wissen, ist, was die SPD von der handwerklich arbeitenden Speisegastronomie hält und wie sie zu einer im europäischen Kontext fairen Besteuerung eben dieser steht. Auch wissen wir, dass die SPD bei den Koalitionsverhandlungen praktisch alle ihre Forderungen sehr erfolgreich durchsetzen konnte. Einer der wenigen Punkte, bei denen sie jedoch vollständig eingeknickt ist, war die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie. Man kann also zumindest vermuten, warum Herr Klingbeil seine unverhohlene Undrohung ausgesprochen hat.
Unabhängig von Lars Klingbeils Beweggründen ist allerdings jetzt schon klar, dass Wirte, die nicht auf hochverarbeitete Fertigprodukte und Fleisch aus Qualmastproduktion umsteigen wollen, ihre Preise keinesfalls senken können, sondern sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sogar erhöhen müssen, weil die nun anstehende Kostenkaskade aus zwangsläufig explodierenden Lohnkosten, steigenden Einkaufspreisen und dramatisch wachsenden Unterhaltskosten den ohnehin schon winzigen wirtschaftlichen Spielraum der Restaurants nicht erweitert, sondern ihn auf ein extrem gefährliches Maß verengt. Insbesondere kleinere, inhabergeführte Betriebe, die auf Tierwohl, Qualität, Regionalität und echtes Handwerk setzen, werden unter diesen Bedingungen kaum noch kostendeckend arbeiten können. Wer dennoch überlebt, tut dies nicht wegen, sondern trotz der politischen Rahmenbedingungen.
