Wir haben im Rahmen unserer Steakpeditions schon die besten, skurrilsten, teuersten und ikonischsten Steakhäuser der Welt besucht. In unserem Bericht über das legendäre Bern’s Steakhouse in Tampa haben wir Euch versprochen, dass wir, wenn wir mal wieder in Kalifornien sind, auch noch das kitschigste Steakhouse der Welt für Euch unter das gestrenge Mookular nehmen. Und wer uns kennt, weiß, dass wir immer halten, was wir versprechen.
Das Gold Rush Steakhouse befindet sich im sagenumwobenen Landmark-Hotel Madonna Inn in San Luis Obispo und sieht aus wie ein fiebriger Liberace-Traum in Pink und Gold. Wohin das Auge auch schweift, überall entdeckt man barocke Ornamente, changierendes Blattgold, funkelnde Kristallleuchter und plüschige Samtvorhänge. Selbst die psychedelischen Teppiche wirken so, als hätte die Gonzo-Ikone Hunter S. Thompson sie in einem wilden LSD-Rausch direkt aus einem Las-Vegas-Casino der Siebzigerjahre gerissen und im Madonna Inn wieder neu verlegt.
Die Kellner tragen dazu passend nostalgisch anmutende Uniformen, die irgendwo zwischen Golden Nugget und Bayreuther Festspielhaus oszillieren. Auf den Tellern landen durchaus solide Steaks, die im Stil des Hauses mit einer in Goldfolie gewickelten Baked Potato serviert werden. Die Desserts sind gigantisch und sehen aus, als wären sie für das Set des nächsten Barbie-Films entworfen worden. Wer das Gold Rush Steakhouse im Madonna Inn betritt, taucht in eine schrille Parallelwelt ein, in der Kulinarik und Kitsch zu einer absurden Melange fusionieren.
Das Madonna Inn ist sicherlich das verrückteste und zugleich legendärste Hotel Kaliforniens.
Alles begann mit Alex Madonna, einem Bauunternehmer aus San Luis Obispo. Er hatte sich mit seiner Firma einen Namen gemacht und beschloss Ende der fünfziger Jahre zusammen mit seiner Frau Phyllis ein Hotel zu errichten, das sich radikal von den sterilen Motels und anonymen Betonklötzen der Nachkriegszeit unterscheiden sollte.
Ihr Credo war einfach: „Why build something plain, when you can build something extraordinary?“
So entstand 1958 das erste Madonna Inn mit gerade einmal 12 Zimmern. Doch der Erfolg war so überwältigend, dass schnell angebaut wurde, und zwar nicht schlicht, sondern immer flamboyanter. Heute umfasst das Hotel über 100 individuell gestaltete Zimmer, von denen kein einziges dem anderen gleicht.
Themenzimmer wie der „Caveman Room“ mit seinen rauen Felswänden, die an eine unterirdische Grotte erinnern, oder das „Love Nest“ in Rosa und Rot sind längst legendär. Ebenso beliebt ist das „Safari Room“ mit wilden Tiermotiven, während die „Matterhorn Suite“ ein alpines Chalet im schrillen Las-Vegas-Gewand inszeniert.
Doch damit nicht genug: Im „Rock Bottom“ scheint man in einer Höhle zu schlafen, das „Carin Room“ erstrahlt in knalligem Pink von Boden bis Decke, und im „Old Mill Room“ drehen sich hölzerne Mühlräder als dekoratives Detail. Wer es glamouröser mag, findet im „Floral Fantasy Room“ eine Explosion aus Blütenmustern, während der „Hearts & Flowers Room“ alles auf Romantik setzt.
Das Hotel selbst wurde immer mehr zu einer Mischung aus Märchenschloss, Westernkulisse, Disneyland und Siegfried-und-Roy-Kitschpalast. Verantwortlich für diesen eklektischen Kitsch-as-Kitsch-can-Stil ist Phyllis Madonna, die mittlerweile 92 Jährige Ehefrau des Gründers. Sie kombinierte barocke Fantasiemöbel, Kristalllüster, Goldornamente, künstliche Felsen und Kunstblumen so hemmungslos, dass selbst John Waters vor Neid erblassen würde.
Besonderes Markenzeichen ist allerdings die Farbwelt. Überall dominieren Pink und Gold. Teppiche, Lampenschirme, Wände, Sessel, Kuchen, Cocktails. Die „Pink Champagne Cake“ aus der hauseigenen Konditorei ist ebenso ikonisch wie die pinken Zuckerpakete und das rosa Geschenkpapier im Souvenirshop.
Über die Jahre wurde das Madonna Inn zu einer regelrechten Pilgerstätte für Exzentriker, Roadtrip-Fans, Hochzeitsgesellschaften und Freunde des Absurden. Das Hotel ist längst mehr als nur eine ungewöhnliche Unterkunft, es ist ein Gesamtkunstwerk und ein Ort, an dem man für ein Wochenende in eine andere Welt eintauchen kann.
Kein Wunder also, dass das Madonna Inn immer wieder in Filmen, Serien und Musikvideos auftaucht. Es diente schon als Kulisse für Fashion-Shootings, Musikproduktionen und wurde in Reisemagazinen auf der ganzen Welt porträtiert.
Heute gilt es als fester Bestandteil der kalifornischen Popkultur und ist zu einem Symbol für die schillernde, manchmal groteske, aber immer faszinierende Seite des amerikanischen Westens geworden.
Das Gold Rush Steakhouse im Madonna Inn ist im Grunde die fleischgewordene Essenz dessen, was Alex und Phyllis Madonna mit ihrem Hotel schaffen wollten. Schon in den frühen Jahren war klar, dass ein solches Wunderland der Farben und Formen auch ein Restaurant brauchte, das nicht einfach nur satt macht, sondern selbst Teil des Spektakels ist.
Das Steakhouse wurde in den sechziger Jahren eröffnet und ist seitdem Herzstück und Bühne des Hotels zugleich. Während andere amerikanische Steakhäuser auf gedämpftes Licht, Holzvertäfelungen und maskuline Zurückhaltung setzten, entschieden sich die Madonnas für das genaue Gegenteil. Sie verwandelten den Speisesaal in eine Art Opernkulisse, in der Pink und Gold dominieren, riesige Kronleuchter prominent von der Decke baumeln und die Gäste das Gefühl haben, nicht nur zu essen, sondern Teil einer überdrehten Inszenierung zu sein.
Der Name Gold Rush Steakhouse verweist dabei auf den Mythos des kalifornischen Goldrauschs. Doch anstatt staubige Minenstädte oder rustikale Westernoptik zu imitieren, schufen die Madonnas eine Art Parodie auf Reichtum und Glamour. Es ist eine Welt, in der selbst die Wände und Teppiche zu funkeln scheinen und das Steak nicht nur ein Stück Fleisch ist, sondern Requisite einer überbordenden Inszenierung.
Kulinarisch blieb man dabei erstaunlich traditionell. Auf der Karte stehen bis heute amerikanische Steakhouse-Klassiker wie Shrimp-Cocktail, Caesar Salad, Rib-Eye, Porterhouse, Filet Mignon sowie eine gigantische, in Goldfolie gewickelte Baked Potato.
Wer hier einkehrt, sucht allerdings auch nicht nach avantgardistischer Pipettenküche, sondern nach dem ultimativen „All American Steakhouse Dream“, allerdings gefiltert durch die pinke Linse des Madonna Inn.
Das Cheese Garlic Bread im Gold Rush Steakhouse ist längst mehr als nur eine profane Vorspeise, es ist eine Legende mit einem geradezu mythischen Ruf. Das Geheimnis liegt dabei in seiner hemmungslosen Opulenz.
Eine dicke Scheibe San Luis Sourdough Bread wird mit frischem Knoblauch, gehackten Frühlingszwiebeln und einer geradezu obszönen Menge verschiedenster Käsesorten belegt und dann so lange gebacken, bis sich alles in eine dampfende, cremige Einheit verwandelt hat.
Das Brot ist schwer, saftig und heimelig wie eine kulinarische Umarmung. Der Geschmack entfaltet sich in einem orchestralen Crescendo aus säuerlichem Sourdough, süßlich-nussigem Knoblauch, frischen Kräutern und der schamlosen Dekadenz geschmolzenen Käses. Dieses Brot ist wahrlich keine gewöhnliche Vorspeise, sondern ein extrem hochkalorisches Guilty Pleasure, das für viele Stammgäste der eigentliche Grund ist, ins Gold Rush Steakhouse zu pilgern.
Der Caesar Salad im Gold Rush Steakhouse ist tatsächlich exzellent. Schon beim ersten Bissen überzeugt er mit absoluter Frische und perfekter Balance. Knackiger Romaine-Salat, knusprige Croutons, ein Hauch Knoblauch und die feine Würze von Anchovis verbinden sich zu einer Komposition, die das klassische Steakhouse-Gericht würdig repräsentiert. Das Dressing ist cremig, hat die richtige Säure und liefert genau die Portion Umami, die einen Caesar Salad so unwiderstehlich macht. Der Salat im Gold Rush Steakhouse ist so gut, dass er fast schon an unseren legendären Caesar Salad im M-Steakhouse heranreicht.
Allerdings gibt es einen kleinen, aber wesentlichen Unterschied. Während man im Gold Rush eher sparsam mit dem Parmesan umgeht und am Ende nur extrem wenig Käse über den Salat gibt, zelebrieren wir im M-Steakhouse den großen Auftritt. Mit Hilfe einer Microplane-Reibe, die im Fachjargon nicht umsonst liebevoll als Fingerfucker bezeichnet wird, beschneien wir unseren Caesar Salad mit einer opulenten Menge frisch geriebenem Parmesan, bis das Gericht zu einer majestätischen Schneelandschaft aus Käse wird.
Wer übrigens mehr über die faszinierende Origin-Story des legendären Steakhouse-Klassikers erfahren möchte, sollte nach der Lektüre dieses Mookular-Berichts unbedingt den hier verlinkten Artikel lesen
Hier sehen wir einen weiteren Klassiker der amerikanischen Steakhouse-Kultur, den Shrimp Cocktail. Serviert wird er in einer bauchigen Cocktailschale, ausgekleidet mit gestoßenem Eis. Am Rand hängen makellos gegarte Garnelen, kühl glänzend und in eleganter Formation arrangiert.
Im Zentrum thront die Cocktail-Sauce, eine Komposition aus Ketchup, frisch geriebenem Meerrettich, Zitronensaft, Worcestershire und einem Hauch Tabasco. Sie ist süß, scharf und frisch zugleich, mit einer belebenden Säure, die den Garnelen ihren unverwechselbaren Kick verleiht. In ihrer Schlichtheit liegt eine gewisse Grandezza, die genau das ausmacht, was den Shrimp Cocktail so zeitlos macht. Jeder Bissen wird zu einer kleinen Choreografie aus saftigem Fleisch, kühler Textur und feuriger Würze.
Eine Zitronenspalte am Glasrand setzt den letzten Akzent. Der Shrimp Cocktail ist keine Revolution, sondern eine Ikone, die Eleganz, Opulenz und ein Stück Steakhouse-Nostalgie in sich vereint.
Die Steaks im Gold Rush Steakhouse werden nicht wie bei uns im M-Steakhouse auf dem Montague Steakhouse-Broiler, der Mutter aller Steakhouse-Grills, gegrillt, sondern archaisch über einem Oak-Pit mit glühender Eichenholzkohle.
DerMontague-Broiler steht für Präzision, eine makellose Kruste mit gleichmäßiger Karamellisierung und eine kompromisslose Fokussierung auf den puren Fleischgeschmack. Der Oak-Pit hingegen parfümiert die Steaks mit intensiven pyrolytischen Raucharomen, die sich tief in die Kruste einlagern und so den Eigengeschmack des Fleisches eher in den Hintergrund drängen.
Am Ende gibt es hier kein richtig oder falsch, es sind schlicht zwei völlig unterschiedliche Philosophien, die jeweils ihren ganz eigenen Reiz entfalten.
Auf der Speisekarte findet sich kein Hinweis auf die Qualität oder Herkunft der Steaks. Angesichts der Duktilität und der typischen Faserarchitektur liegt jedoch die Vermutung nahe, dass es sich um eine exzellente Choice-Qualität US-amerikanischer Provenienz handelt.
Die Marmorierung hat trotzdem eine opulente Dichte, und die vorhandenen intramuskulären Lipid-Cluster entfalten während der thermischen Denaturierung ihr volles sensorisches Potenzial und generieren so ein sehr respektables Maß an Schmelz und Umami.
Die couragiert kolorierte Kruste bringt zusätzlich Charakter und verleiht dem Steak eine rustikale Aromatik, die harmonisch mit den mineralischen Hämoglobin-Akkorden des Fleisches korrespondiert. Insgesamt ein sehr rustikales, aber solides Steak.
Zum Schluss blicken wir noch kurz in die legendären Grotto-Toiletten des Madonna Inn. Hier macht man übrigens sein π π nicht einfach in ein profanes Urinal, sondern in einen Wasserfall.