Seit Monaten kursieren in London die unglaublichsten Gerüchte. Angeblich hat der umtriebige Interieur-Designer Martin Brudnizki für die Ausstattung des nagelneuen SEXY FISH am Berkley Square vom Investor Richard Caring eine Art Carte-Blanche erhalten. Man munkelt, dass weit über 20 Millionen Euro in die opulente Ausstattung der spektakulären Location geflossen sind. Weiterhin hat sich der umtriebige Designer noch tatkräftige Unterstützung von so illustren Namen wie Damien Hirst und Frank Gehry geholt. Das SEXY FISH lancierte ständig geschickt neue unglaubliche Details. Selten durften wir einen ähnlich meisterlich arrangierten Spannungsbogen bewundern. Auch bei uns hat der smart choreografierte PR Coup seine Spuren hinterlassen. Selten war die Mook Redaktion mehr auf eine neue Location gespannt. Nun hat das sehnlichst erwartete Restaurant endlich seine Pforten geöffnet. Natürlich musste sich das Mook Culinary Research Team sofort auf den beschwerlichen Weg nach London begeben, um für Euch die neue Supervenue unter das gestrenge Mookular zu nehmen.
Schon beim Eintreten verschlägt es einem fast den Atem. Die Location platzt förmlich aus allen Nähten. Der Geräuschpegel erinnert dabei an die Triebwerke eines startenden Airbus A380. In der offenen Show-Küche steht ein riesiger Robata-Grill, aus dem gewaltige Rauchschwaden emporsteigen. Die Kellnerbrigade wuselt emsig zwischen den extrem eng gestellten Tischen hin und her. Das Publikum ist äusserst adrett und setzt sich aus einer energetischen Melange von Supermodels, Business-Oligarchen, Artheads und Celebrities zusammen. Wieder einmal hat Richard Caring sein untrügliches Gespür für erfolgreiche Gastronomiekonzepte eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der extrem erfolgreiche Restaurateur betreibt neben dem nagelneuen SEXY FISH übrigens auch noch so legendäre Restaurants wie das The Ivy, das Le Caprice und die J. Sheekey Oyster Bar.
Wohin das kundige Auge auch schweift, überall entdeckt man erstaunliche Kunstwerke und edelste Materialen. Beispielsweise wurde der komplette Boden mit iranischem Esmeralda-Onyx-Marmor ausgelegt. Ein architektonisches Statement, das an Opulenz kaum zu übertreffen ist. Die Gerüchte haben offensichtlich gestimmt. Beim SEXY FISH hat der profane Mammon wirklich keinerlei Rolle gespielt. Man wundert sich fast, wie es gelingen konnte, mit nur 20 Millionen Euro eine solche beindruckende Kulisse zu schaffen.
Die Decke im SEXY FISH wurde von Michael Roberts designed, seines Zeichens Style-Editor-at-Large der Vanity Fair. Die wunderschönen Muster zeigen bei näherer Betrachtung maritime Motive wie abstrahierte Korallen, Fische und Seepferdchen. Auch handelt es sich bei den biomorphen Pattern unverkennbar auch um eine gelungene Reminiszenz an die fauvistischen Gouaches-découpées von Henri Matisse. Im SEXY FISH wurden wirklich alle Register gezogen, um den Weiten des Ozeans zu huldigen. Obwohl nicht alle von dem optischen Overkill restlos begeistert waren. Der Telegraph nennt das ganze beispielsweise einen skurrilen Ausflug in ein glitzerndes La-La-Land ohne Brot. Und in der Tat, Brotkörbe sucht man vergeblich auf den Tischen des SEXY FISH.
Die anmutig über der Bar schwebenden Fische stammen tatsächlich von niemanden Geringerem als Frank Gehry. Seit der Enthüllung der El-Peix-Skulptur in Barcelona wissen selbst eingefleischte Kunstbanausen, dass der legendäre Trailblazer der Dekonstruktivismus sich auch häufig als Künstler und Möbeldesigner verdingt. Wer nun plötzlich auch den unbändigen Drang verspürt, sich einen kleinen Schwarm illuminierter Gehry-Fische über die Minotti Chaiselongue zu hängen, sollte sich vertrauensvoll an die renommierte Gagosian Gallery wenden.
Als weiteres Highlight wird die Bar von zwei bläulich patinierten Bronze-Skulpturen flankiert. Die beiden kessen Wassernixen stammen aus dem Atelier des legendären Turner-Preis-Trägers Damien Hirst. Der Enfant terrible der britischen Kunstszene wurde in den 90er Jahren mit provokanten Installationen berühmt, in denen er tote Tiere in Formaldehyd-Becken konservierte oder Diamanten auf Totenschädel applizierte. Bis heute spaltet er die Kunstwelt wie kaum ein anderer zeitgenössischer Künstler. Für die einen ist er ein visionärer Grenzgänger, der das Verhältnis von Leben, Tod und Kommerz gnadenlos seziert, für die anderen ein geschickter Selbstvermarkter, der den Kunstmarkt auf eine zynische Spitze getrieben hat. Dass er neben seinen gigantischen Haien, Schmetterlingscollagen und pharmazeutisch anmutenden Installationen auch Nixen in Bronze gegossen hat, wirkt fast wie ein augenzwinkernder Kommentar auf seine eigene Karriere. Denn hinter der spielerischen Eleganz der Figuren schimmert dieselbe Mischung aus Ironie, Theatralik und makaberer Schönheit, die sein Œuvre seit jeher durchzieht.
Auch das riesige Bronze-Relief wurde von Damien Hirst gestaltet. Das elliptische Medaillon zeigt dabei einen frivolen Reigen zwischen einem Tigerhai und einer barbusigen Wassernixe. Mit dem lasziven Motiv zitiert sich der Meister nicht nur selber, sondern bearbeitet so noch auf eine sehr subtile Weise das Thema Guilty-Pleasure. Das imposante Relief beschwört geradezu plakativ alles, für was das SEXY FISH stehen möchte. Es geht um zügellose Ausschweifung, Erotik und Exklusivität. Damien Hirst hat das Thema grandios verstanden und handwerklich perfekt in ein imposantes Kunstwerk transkribiert. Die Mook Redaktion ist dementsprechend tief bewegt.
Und noch ein unglaubliches Kunstwerk zieht uns in seinen Bann. An der Stirnseite des Restaurants hat Frank Gehry einen riesigen Alligator aus schwarz changierendem Formica-Colour-Core befestigt. Ein Kunstwerk, das selbstverständlich viel Raum für spannende Interpretationen lässt. Wir bitten an dieser Stelle, die schlechte Bildqualität zu entschuldigen. Die Mook Redaktion arbeitet zwar normalerweise bewusst mit einer derb gewählten Low-Glossy-Smartphone-Bildwelt – in diesem Fall ist die Qualität allerdings wirklich sehr grenzwertig und zeigt keinesfalls die wahre Schönheit des faszinierenden Exponats. Wer ein besseres Bild der urzeitlichen Bestie erhaschen will, sollte unbedingt einmal auf die Webseite des SEXY FISH gehen.
Viele Speisen im SEXY FISH erinnern verdächtig an die fabelhafte Neo-Izakaya-Formel Zuma. Was nach genauer Recherche allerdings auch nicht erstaunlich ist. Mittlerweile liest man ja fast bei jeder Neueröffnung, dass der Küchenchef irgendein Ex-Mitarbeiter von Arjun Waney und Rainer Becker gewesen ist. Auch im SEXY FISH hantiert wieder einer der zahlreichen Ex-Zuma-Küchenchefs. Weiterhin stellen wir völlig erstaunt fest, dass sich die Karte keineswegs nur auf Fisch und Meeresfrüchte fokussiert. Auch Carnivore Connaisseure finden eine reichliche Auswahl. Es gibt beispielsweise köstliche Yakitori-Spiesse, Foie Gras Gyozas, Miso Lamb Chops und zahlreiche Wagyu-Kreationen vom Robata-Grill. Aber keine Sorge, auch der unvermeidliche supersüsse Miso-Fisch findet sich natürlich auf der Karte des SEXY FISH. Wir haben uns diesmal übrigens dazu entschlossen, diesen Gang ausfallen zu lassen. Innerhalb der Mook Redaktion wurde noch nie ein Gericht kontroverser diskutiert. Mittlerweile bevorzugen allerdings alle Mitglieder des Mook Culinary-Research-Team die viel weniger süße Zenzakan Interpretation dieses Nobu Klassikers.
Das vom SEXY FISH gereichte Sortiment überrascht die Mook Redaktion wirklich. Eigentlich hatten wir bei der thematischen Ausrichtung und dem maritimen Brasserie-Interieur eine völlig andere Speiseauswahl erwartet. Hier sehen wir übrigens einen nett angerichteten Sashimi-Happen.
Der getrüffelte Tuna Tartar wird unter einer wunderschönen Oktopus-Cloche serviert.
Hier sehen wir das Meisterwerk in seiner ganzen Pracht.
Das Oktopus Carpaccio wird erstaunlicherweise nicht als Analogie unter einer Thunfisch-Cloche serviert, sondern recht konventionell auf einem dunklem Teller. Dem Geschmack tut dies allerdings keinerlei Abbruch. Die Tentakel des köstlichen Kopffüsslers werden mit einer leichten Ingwer-Limette-Vinaigrette benetzt und bestechen vornehmlich durch ein sehr angenehmes Säurespiel.
Es mag viele überraschen, aber Japan kann tatsächlich auf eine altehrwürdige BBQ-Tradition zurückblicken. Robatayaki oder einfach Robata kommt von den beiden japanischen Begriffen „Ro“ und „yaki“. Als „Ro“ bezeichnete man einen quadratischen Grill, an dem sich die Bauern und Fischer wärmten und grillten. Das japanische Wort „yaki“ bedeutet schlicht gegrillt. Auch ist Euch sicherlich bekannt, das wir mit dem Zenzakan zu den absoluten Pionieren in dieser Disziplin in Deutschland zählen. Hier sehen wir übrigens ein paar köstliche Hühnerflügel vom Robata-Grill.
Die köstlichen Enten-Herzen vom Robata-Grill sind mit einer pikanten Shichimi-Tōgarashi-Mischung bestreut und haben eine wundervolle Konsistenz. Nicht umsonst gelten Enten-Herzen als ein beliebter Snack bei Jung und Alt. Shichimi Tōgarashi oder kurz Shichimi (wörtl. Sieben-Gewürz-Chilipfeffer) ist übrigens eine in Japan sehr gebräuchliche BBQ-Gewürzmischung aus grob gemahlenen roten Chilischoten, Mandarinenschalen, Sesamsamen, Nori, Hanfsamen, Ingwer und Sansho (ein Verwandter des Szechuanpfeffer). Aufmerksame Mook-Magazin-Leser haben das natürlich schon alles gewusst.
Der mit Ahornsirup glasierte Schweinebauch wird begleitet von einem köstlichen Yuzu-Ranch-Dip. Die süßlich-karamellisierte Glasur legt sich wie ein glänzender Mantel um das saftig-zarte Fleisch und sorgt für ein verführerisches Spiel zwischen knuspriger Oberfläche und butterweichem Inneren. Der Dip wiederum verbindet die cremige Fülle eines klassischen Ranch mit der spritzig-frischen Zitrusnote der japanischen Yuzu. Dadurch entsteht ein komplexer Kontrast, der das üppige Aroma des Schweinebauchs balanciert und gleichzeitig einen subtilen Kick von Exotik einbringt. Jeder Bissen oszilliert zwischen süß, salzig, pikant und frisch, ein echtes Geschmacksfeuerwerk.
Hier sehen wir ein paar Gorgonzola-Tortilla-Spieße vom Robata-Grill. Der intensive, cremig-würzige Schmelz des Gorgonzola trifft auf die leicht rauchige Röstaromatik der offenen Flamme und wird von der zarten Textur der goldbraun gegrillten Tortilla aufgefangen. Die Kombination aus herzhaftem Schmelzkäse und krosser Hülle sorgt für ein Spiel von Schärfe, Süße und Umami, das am Gaumen nachhallt. Der Grill verleiht den Spießen zudem eine subtile Holzkohlen-Note, die den Charakter des Blauschimmelkäses noch kraftvoller herausarbeitet. So entsteht ein aromatisches Zusammenspiel, das gleichermaßen rustikal wie raffiniert wirkt und lange in Erinnerung bleibt.
Der asiatisch marinierte Enten-Salat wird mit frittierten Lotusblüten und knackigen Granatapfelkernen gereicht. Zarte Stücke von aromatisch marinierter Ente verbinden sich mit der feinen Süße von Sojasauce, Ingwer und einem Hauch Sesamöl. Dazu gesellt sich die hauchdünn frittierte Lotusblüte, die mit ihrer filigranen Knusprigkeit einen spannenden Kontrapunkt zur Saftigkeit des Fleisches setzt. Die Granatapfelkerne wiederum bringen eine frische, säuerliche Spritzigkeit ins Spiel, die das Gericht aufhellt und zugleich eine elegante Balance zwischen Frucht, Umami und Röstaromen schafft. So entsteht ein facettenreiches Geschmacksbild, das leicht und opulent zugleich wirkt.
Richtiges Frittieren ist eine Kunst. Das Küchenteam des SEXY FISH versteht sich allerdings auch auf dieses ehrwürdige Handwerk. Die Tempura-Shrimps schmecken hervorragend. Bei der japanischen Kunst des Tempura geht es nicht nur um das bloße Eintauchen von Zutaten in heißes Öl, sondern um Präzision, Fingerspitzengefühl und jahrhundertealtes Wissen. Entscheidend ist der hauchdünne, fast schwerelose Teigmantel, der den Shrimps eine federleichte Kruste verleiht, ohne ihre natürliche Süße und Saftigkeit zu überdecken. Die Textur ist knusprig, aber niemals schwer, und verströmt beim ersten Biss ein feines Knacken, das sich unmittelbar mit der zarten Meeresfrische des Shrimps verbindet. So offenbart sich die eigentliche Magie des Tempura: eine perfekte Balance aus Transparenz, Leichtigkeit und Aroma.
Die kross gebratenen Potsticker präsentieren sich mit einer goldbraunen, knusprigen Unterseite, die beim ersten Biss ein zartes Knacken freigibt. Darunter verbirgt sich ein dünner, seidig weicher Teigmantel, der die saftige Füllung umschließt. Diese entfaltet ein harmonisches Zusammenspiel aus herzhaften Umami-Noten, leichter Süße und einer dezenten Würze von Ingwer und Frühlingszwiebeln. Der Kontrast zwischen knuspriger Kruste, zartem Teig und aromatischem Kern macht die Potsticker zu einem wahren Textur- und Geschmacksfeuerwerk, das lange am Gaumen nachhallt.
Das Chicken vom Robata Grill überzeugt nicht nur durch seine intensive Aromatik, sondern auch durch die Präzision des Garprozesses. Auf dem glühenden Holzkohlegrill entstehen Temperaturen von über 800 Grad Celsius, die eine besonders ausgeprägte Maillard-Reaktion fördern. Dabei verbinden sich Aminosäuren und reduzierende Zucker in der Fleischoberfläche zu hunderten neuer Aromaverbindungen, die für den charakteristischen Duft von Röstaromen und den goldbraunen Glanz der Haut verantwortlich sind. Unter dieser knusprigen Schicht bleibt das Fleisch dank indirekter Hitzeeinwirkung und gleichmäßiger Temperaturkontrolle saftig und zart. Die Kombination aus kontrollierter Pyrolyse der Hautlipide und der dezenten Rauchinfusion der Holzkohle erzeugt ein vielschichtiges Geschmacksprofil, das Tiefe, Süße und eine angenehm herzhafte Würze vereint.
Sogar einige Süßspeisen finden sich auf der Speisekarte des SEXY FISH.