Das charmante Portmanteau Hangry aus Hungry und Angry wurde tatsächlich offiziell in das Oxford English Dictionary aufgenommen. Das Phänomen, dass hungrige Menschen oft schlecht gelaunt sind, kennen wir als Wirte übrigens nur zu gut. Speziell wenn die Vorspeise nicht sofort auf dem Tisch steht, reagieren teutonisch sozialisierte Mitteleuropäer gerne schnell ungehalten.
Jetzt erreicht uns allerdings über unser elektronisches Feedbacksystem die Beschwerde, dass die Vorspeise zu schnell serviert wurde. Der Gast unterstellte uns darüber hinaus, dass wir unsere Speisen vorbereiten würden. Dazu kann man nur sagen: Ja, der Gast hat recht. Bei uns werden im Vorfeld nicht nur Karotten tourniert, Knoblauch konfiert, Bohnen blanchiert und Fleisch mit dem Sous-vide-Verfahren vorgegart, sondern auch alle Saucen, Dressings und Fonds handwerklich seriös hergestellt. Allerdings ist das vollkommen normal. In der gehobenen Speisegastronomie nennt man das Mise en Place. Auf typische Convenience-Produkte wie vorgefertigte Dressings, Dosensuppen, vorgekochte Fonds, abgepackte Salatmischungen, TK-Gemüsemischungen, Tetrapak-Hollandaise, vorpanierte Kalamariringe oder Kartoffelpüree aus der Tüte verzichten wir hingegen komplett.
Dass wir eine Fertigungstiefe von nahezu 100 Prozent haben, klingt für einen branchenfremden Zivilisten im ersten Moment vielleicht banal, ist aber heutzutage längst nicht mehr normal. Alles selbst In-House herzustellen, ist ein aufwendiges und extrem kostspieliges Vergnügen. In unseren fünf Restaurants stehen dafür täglich von früh bis spät in der Nacht aktuell exakt 91 Köchinnen und Köche am Herd, die nichts anderes tun, als Fonds zu reduzieren, Fische auszunehmen, Gemüse zu putzen, Kroketten zu panieren, Saucen anzusetzen und Fleisch zu parieren. Eine unglaubliche Manpower, die nicht nur enorme Personalkosten verursacht, sondern auch gewaltige Mengen an teurer Energie verschlingt.
Es ist deshalb wirklich kein Wunder, dass immer mehr verzweifelte Wirte vor der aktuellen Politik kapitulieren und notgedrungen auf Convenience-Produkte, Fertigsaucen und portioniertes Billigfleisch aus konventioneller Qualmastproduktion umsteigen.
Interessierte Leser, die jetzt noch erfahren wollen, was wir davon halten, dass ausgerechnet die handwerklich arbeitende Speisengastronomie als eine der energieintensivsten Industrien des Landes nicht vom im Koalitionsvertrag angekündigten Industriestrompreis profitieren soll, sollten nach der Lektüre dieses Newsletters auch noch diesen Artikel lesen.
