Jeder leidenschaftliche Fahrradfahrer, der wie wir gerne einmal am Wochenende mit dem Drahtesel durch den Taunus radelt, weiß, dass die deutsche Politik den ländlichen Raum mittlerweile sehr erfolgreich degastronomisiert hat. Offensichtlich angespornt von diesem erstaunlichen Erfolg plant die grün-rot-violette Römer-Koalition nun, diesen Triumph über die Gastronomie auch in der Frankfurter City zu wiederholen.
Beispielsweise plant sie, die Gastronomiemeile Bockenheimer Landstraße gegen den überwältigenden Mehrheitswillen der dort angesiedelten Wirte maximal gastronomiefeindlich, autofahrerfeindlich, ÖPNV-feindlich, rettungswagenfeindlich, lieferverkehrsfeindlich und umweltfeindlich umzubauen.
Die komplett schockierten Gastronomen, die als direkt Betroffene im Vorfeld weder befragt noch um Erlaubnis gebeten wurden, haben daraufhin beschlossen, die Frage nach ihrer Meinung, die ihnen im Vorfeld nie gestellt wurde, einfach trotzdem zu beantworten. In einem offenen Brief an die Stadt Frankfurt flehten sie darum, von der über ihre Gewerbesteuer finanzierten und für sie maximal toxischen Verödung der Bockenheimer Landstraße abzusehen. Abgesehen vom Angebot, den verzweifelten Wirten zu erklären, was sie ohnehin längst wissen, kam keine Reaktion von der Stadt.
Jetzt wurden die Wirte der Bockenheimer Landstraße auch noch unangekündigt mit der Tatsache konfrontiert, dass es, bevor es schlimm wird, erst einmal richtig schlimm wird. Denn die Bockenheimer Landstraße verwandelt sich, bevor sie endgültig gastronomiefeindlich, autofahrerfeindlich, ÖPNV-feindlich, rettungswagenfeindlich und lieferverkehrsfeindlich umgebaut wird, erst einmal für volle vier Jahre in eine Großbaustelle.
Obwohl schon ihre erste Petition im rot-grün-violett geführten Römer auf komplett taube Ohren gestoßen ist, haben die verzweifelten Wirte der Bockenheimer Landstraße trotzdem beschlossen, einen zweiten offenen Brief an die Stadt zu schreiben. Hier der Inhalt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Bockenheimer Landstraße ist keine klassische Shoppingmeile, sondern in erster Linie eine Gastronomie- und Ausgehmeile. Sie lebt von Restaurants, Cafés, Bars und Hotels, die Gäste aus der ganzen Region anziehen. Genau dieses Herzstück des Frankfurter Ausgehlebens ist nun seit kurzem in großen Teilen eine Großbaustelle. Kabel und Rohre sollen verlegt werden, und nach aktuellem Stand sollen diese Arbeiten volle vier Jahre dauern. Schon jetzt leiden wir Gastronomen und Hoteliers unter Schmutz, Lärm und eingeschränkter Erreichbarkeit. Gäste bleiben fern, Umsätze brechen massiv ein. Besonders katastrophal ist die Aussicht auf die kommende Terrassensaison, wenn unsere Außenflächen durch Staub, Baulärm und Absperrungen komplett entwertet werden. Niemand möchte in einer solchen Atmosphäre essen oder verweilen.
Besonders empörend ist, dass wir als direkt betroffene Anlieger zu keinem Zeitpunkt in die Planungen einbezogen wurden. Wir wurden nicht informiert, wir wurden nicht gefragt, wir wurden schlicht übergangen. Und dann heißt es auch noch von Seiten der Mainova, nur wenige Rückmeldungen seien eingegangen, weshalb der Eindruck entstehe, die Betriebe kämen mit der Situation sehr gut zurecht. Diese Darstellung ist falsch und verhöhnt unsere Sorgen. In Wahrheit herrscht unter uns Gastronomen und Geschäftsleuten große Verunsicherung und Angst.
Noch unverständlicher ist die Perspektive, dass die Bockenheimer Landstraße nach Abschluss dieser Bauarbeiten dauerhaft nur noch eine Spur je Richtung haben soll. Schon heute gibt es auf beiden Seiten Radwege und zusätzlich den parallel verlaufenden Kettenhofweg, der erst kürzlich zur Fahrradstraße umgebaut wurde. Die Radinfrastruktur ist also längst vorhanden. Eine durchgängige Verengung wäre deshalb völlig kontraproduktiv und rein schikanös. Sie würde Staus verursachen, Anlieferungen erschweren, Rettungswagen behindern, die Aggressivität im Verkehr steigern und die Aufenthaltsqualität massiv verschlechtern. Wir brauchen vor unseren Geschäften keine künstlich erzeugten Staus mit genervten Autofahrern, sondern im Viertel endlich wieder mehr Parkplätze, auf denen unsere Gäste und Kunden ihre Fahrzeuge abstellen können.
Wenn diese Straße über Jahre hinweg lahmgelegt und anschließend durch eine überflüssige Verengung dauerhaft verstümmelt wird, zerstört man nicht nur die wirtschaftliche Basis der hier ansässigen Betriebe, sondern auch einen wichtigen Teil der kulturellen Identität Frankfurts.
Wir fragen uns außerdem, wie es sein kann, dass das Verlegen von Kabeln und Rohren volle vier Jahre dauern soll. Der Eiffelturm wurde in nur 24 Monaten fertiggestellt, das Chrysler Building in 15 Monaten und das Empire State Building sogar in nur 13 Monaten. Dass ein vergleichsweise kleines Infrastrukturprojekt in Frankfurt länger dauern soll als die Errichtung dieser weltberühmten Mammut-Bauwerke, ist für uns nicht nachvollziehbar.
Unsere Betriebe sind Arbeitgeber, Steuerzahler und ein wesentlicher Faktor für die Attraktivität der Stadt. Wir leisten einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Leben und zur Lebensqualität in Frankfurt. Wenn wir über Jahre hinweg durch Baustellen geschädigt werden, erwarten wir nicht nur Transparenz und Mitsprache, sondern auch konkrete finanzielle Entschädigungen. Alles andere ist nicht akzeptabel.
Wir fordern die Mainova und die Stadt Frankfurt daher auf, den Zeitplan und die Dimensionen dieses Projekts drastisch zu überdenken und Lösungen zu entwickeln, die unsere Existenz sichern.
Mit freundlichen Grüßen
Gregor Bernd (GREGOR’S – Boutique Vinothek)
Karsten Boy (Block House)
Igor Cakalic (The Black Bulls)
Dennis Myers del Alamo (Sunny Side Up)
Sedat Durmaz (Oceans)
Dimitrios Kalyvas (Café Laumer)
Anik Katyal (Palmenhof)
Gregor Meyer (Meyer Deli Coffee Kitchen)
Christian Mook (Mon Amie Maxi)
Luel Mulugeta (Elaine’s World)
Mickey Rosen & Alex Urseanu (MORIKI)
Dennis Rimonti (Via Monte Napoleone)
Philip Ricken (Le Bistro 66)
Karlheinz Schneider (Schneider´s Café Snackbar)
Giuseppe Talarico (Brixia)
Caroline & Dirk Vater (Chinaski)