Obwohl wir in keinem einzigen unserer Etablissements Fernseher oder Radios haben und ausschließlich gebührenpflichtige GEMA-Musik spielen, müssen wir jedes Jahr mehrere tausend Euro an Zwangsgebühren an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für eine Dienstleistung bezahlen, die wir nicht wollen, nicht brauchen und nie nutzen.
Besonders ärgerlich an dieser Tatsache ist, dass der von uns mitfinanzierte Staatsfunk auch noch regelmäßig Politikern und staatsnahen Interessenvertretern eine prominente Plattform bietet, um unwidersprochen Propaganda gegen die Gastronomie zu verbreiten. Beispielsweise dürfen Leute wie Marcel Fratzscher und Konsorten immer wieder unwidersprochen behaupten, dass die längst überfällige Senkung der Mehrwertsteuer auf ein im europäischen Kontext faires Niveau eine teure staatliche Subvention sei.
Abgesehen von der Tatsache, dass eine im europäischen Kontext faire Besteuerung der extrem hart gebeutelten Speisegastronomie natürlich keine staatliche Subvention ist, sondern lediglich eine im europäischen Kontext faire Besteuerung, verschweigen die betreffenden Experten geflissentlich, dass der Staat sich die angeblichen Mindereinnahmen durch die steigenden Mindestlohnkosten bei den Wirten direkt wieder abholt und unterm Strich seine angeblichen Mindereinnahmen nicht nur kompensiert, sondern sogar auf Kosten der Unternehmer massiv überkompensiert.
Unsere Behauptung, dass die toxische Verquickung aus Mindestlohnerhöhung und Mehrwertsteuersenkung die handwerklich seriös arbeitende Speisegastronomie nicht wie politisch insinuiert entlastet, sondern belastet, haben wir übrigens nicht geraten, sondern heuristisch extrapoliert.
Da die anstehende Mehrwertsteuersenkung ausschließlich für Speisen gilt, sind wir bei unseren Überlegungen von einem branchenüblichen Speise-Getränke-Verhältnis von sechzig zu vierzig ausgegangen. Gleichzeitig beläuft sich die Lohnkostenquote in der Gastronomie mittlerweile meist auf vierzig plus Prozent des Umsatzes. Da rund 67 Prozent der Beschäftigten in der Gastronomie tatsächlich zum Mindestlohn arbeiten, wirkt sich die Anhebung von 12,82 auf 14,60 Euro erst einmal nur auf diesen Anteil aus. Die 1,78 Euro mehr pro Stunde stellen aber nur den Bruttolohn dar. Arbeitgeber müssen allerdings noch rund zwanzig Prozent on top an Sozialabgaben zahlen. Damit steigen die realen Mehrkosten von 3,96 Euro auf 4,75 Euro pro 100 Euro Umsatz.
Der finanzielle Vorteil durch die Mehrwertsteuersenkung berechnet sich dagegen wie folgt. Bei 100 Euro Bruttoumsatz entfallen im Schnitt 60 Euro auf Speisen und 40 Euro auf Getränke. Damit steigt der Nettobetrag aus den 60 Euro Speisen von 50,42 Euro bei 19 Prozent Umsatzsteuer auf 56,07 Euro bei 7 Prozent Umsatzsteuer. Die Entlastung beträgt also 5,65 Euro.
Kontextualisiert man nun beide Zahlen miteinander, bleibt lediglich eine lächerliche Entlastung von gerade mal 90 Cent pro 100 Euro Umsatz. Doch nun kommen die unvermeidbaren Folgeeffekte ins Spiel. Da die Gastronomie als klassische Mindestlohnbranche weit überproportional auch auf andere Mindestlohnbranchen angewiesen ist, führt die Erhöhung des Mindestlohns zwangsläufig zu steigenden Kosten für Reinigungsdienste, Wäschereien, Leiharbeitsfirmen, Gärtner, Entsorger und Handwerker.
Gleichzeitig explodieren auch noch die Lebensmittelpreise aufgrund höherer Erzeuger- und Transportkosten. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, kommen jetzt auch noch zeitverzögerte Sekundäreffekte hinzu, wie beispielsweise der oft zitierte Spillover-Effekt oder die Tatsache, dass praktisch alle Wirte Mietverträge haben, die über eine Wertsicherungsklausel an den Verbraucherpreisindex gekoppelt sind. Also werden durch die unausweichlich steigenden Preise auch die Mieten mittelfristig massiv steigen.
Die handwerklich arbeitende Speisegastronomie hat längst jegliche Preissetzungsmacht verloren und kann die explodierenden Kosten deshalb nicht an ihre Gäste durchpausen. Wirte stehen damit vor der toxischen Wahl, ihre Preise trotzdem zu erhöhen und damit zu riskieren, noch mehr Gäste zu verlieren, oder aber die Preise stabil zu halten und die steigenden Kosten aus der eigenen Marge zu decken, was unweigerlich in totale Selbstausbeutung oder in die Insolvenz führt. Dementsprechend werden viele bisher seriöse Wirte unter dem politischen Druck kollabieren und in Zukunft aus purer Existenzangst auf hochverarbeitete Fertigprodukte und Fleisch aus konventioneller Qualmast umsteigen.
Damit dürfte endgültig klar sein, dass die toxische Verquickung von Mindestlohnanstieg und Mehrwertsteuersenkung am Ende die handwerklich arbeitende Speisegastronomie nicht wie politisch insinuiert entlastet, sondern zugunsten des Staates massiv belastet und darüber hinaus auch dem Tierwohl und der allgemeinen Volksgesundheit massiv schadet.
Komplett absurd ist zudem die Tatsache, dass die Mindestlohnempfänger, die ihren Job durch den bevorstehenden Gastrogeddon nicht verlieren, praktisch nichts von der Erhöhung haben werden, weil der Staat sich sofort wieder einen Löwenanteil über Steuern und Abgaben zurückholt und der verbleibende finanzielle Zugewinn durch die zwangsläufig explodierenden Lebenshaltungskosten aufgefressen wird.
An dieser Stelle wollen wir wieder einmal darauf hinweisen, dass wir und die meisten anderen Wirte überhaupt nichts gegen einen fairen Mindestlohn und hohe Gehälter unserer Mitarbeiter einzuwenden haben. Die ethisch arbeitende Individualgastronomie ist meistens klein und maximal mittelständisch. Unsere Mitarbeiter sind dementsprechend auch unsere Freunde und Kollegen. Wir stehen täglich gemeinsam mit ihnen an der Front und zahlen deshalb sehr gerne gute Gehälter.
Das Problem ist allerdings, dass man diese Löhne auch erwirtschaften können muss. Keine leichte Sache, wenn die Personalkostenquote schon bei über vierzig Prozent liegt und der Wareneinsatz zusätzlich noch über dreißig Prozent.
Zum Schluss wollen wir noch darauf hinweisen, dass Mindestlohnempfänger in der Gastronomie finanziell meist deutlich besser gestellt sind als Mindestlohnempfänger in anderen Mindestlohnbranchen, da sie im Gegensatz zu anderen Mindestlohnempfängern meist zusätzlich steuerfreie Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge erhalten, die ihr Nettoeinkommen deutlich steigern.
