Richard Vines, der frisch gebackene UK-Chef-Juror der kontrovers diskutierten Pellegrino World’s 50 Best Restaurants-List, hat vor nicht allzu langer Zeit proklamiert, dass London weiterhin die besten indischen Restaurants der Welt beheimatet. Eine Neuigkeit, die eifrige Mook-Magazin-Leser natürlich nicht sonderlich überraschen dürfte. Und obwohl London ohnehin schon über unzählige exzellente indische Restaurants verfügt, erlebt die Szene momentan einen regelrechten Boom. Überall eröffnen neue und spannende indische Restaurant-Konzepte ihre Pforten. Trotzdem scheint der Markt noch längst nicht gesättigt. In praktisch keinem der relevanten Upscale-Inder ist kurzfristig ein Tisch zu ergattern. Aber auch vor den neuen coolen Street-Food-Indern, wie beispielsweise dem fabelhaften Dishoom, bilden sich jeden Abend lange Schlangen. Es ist ganz offensichtlich, dass die kolonial geprägten Briten geradezu süchtig sind nach dem komplexen Aromenspiel des indischen Subkontinents. Allerdings bietet auch keine andere Länderküche ein vergleichbar sublimes Kaleidoskop an faszinierenden Texturen und Aromen. Nicht umsonst gilt die indische Gewürz- und Vitalküche unter Experten schon lange als die unangefochtene Königin unter den Länderküchen.
Das neue BIBI im exklusiven Szeneviertel Mayfair sticht aus der Masse der neuen indischen Konzepte komplett heraus, weil es couragiert auf praktisch alles verzichtet, was Fans der indischen Aromen- und Vital-Küche besonders lieben. Es gibt keinerlei Comfort-Cuisine-Crowdpleaser wie Naan-Bread, Tandoori-Grilladen oder sublime Curry-Gerichte. Dafür will das BIBI köstlichen Chaats und Grillspezialitäten vom traditionellen Sigree-Grill eine Bühne geben. Dass die gewagte Idee funktioniert, zeigt die Tatsache, dass das BIBI schon kurz nach seiner Eröffnung vom beliebten Squarmeal-Portal zum besten indischen Restaurant in London gewählt wurde!
Evil-Mastermind hinter dem inovativen Kitchen-Counter-Konzept ist Chet Sharma, der Head-Development-Chef der legendären JKS Group. Der visionäre Gastronom ist nicht nur ein begnadeter Koch, sondern auch ein mathematischer Savant, der an der renommierten University of Oxford einen Doktortitel in Physik erworben hat.
Der sagenumwobene Jahrhundertkoch Joël Robuchon hat mit seinen grandiosen Ateliers einen wahren Hype entfesselt. Kitchen-Counter-Konzepte wie der umjubelte Neo-Osmane Zahter im Londoner Szeneviertel Soho, der grandiose Chef’s Table at Brooklyn Fare oder der sagenumwobene Kitchentable@Bubbeldogs sind aktuell wirklich in aller Munde. Und bekanntlich liebt es auch die gesamte Mook Redaktion, an einem Küchentresen zu verweilen und den emsigen Köchen bei ihrer faszinierenden Arbeit über die Schulter zu schauen. Auch im BIBI bildet ein langer Küchentresen wieder das Epizentrum des Restaurants. Leider konnten wir keinen Platz mehr am Counter ergattern, obwohl wir schon 14 Tage im Voraus reserviert haben. Letztendlich waren wir sogar froh, dass wir überhaupt noch einen kurzen Early-Bird-Time-Slot zwischen 17:30 und 19:00 Uhr ergattern konnten.
Wie aufmerksam Mook Group Fans bereits wissen, ist die First Lady des Mook Culinary Research Teams eine profunde Kennerin der indischen Aromen- und Vitalküche. Ihr enzyklopädisches Wissen ist allerdings nicht nur von theoretischer Natur. Die begnadete Köchin hat im Rahmen ihrer unzähligen Ayurveda-Kuren schon diverse indische Kochkurse absolviert.
Wer auf höchstem Niveau arbeiten will, braucht auch entsprechendes professionelles Equipment. Wie Fachleute unschwer erkennen, verlässt sich das BIBI bei seinem imposanten Sigree-Grill auf personalisierte Qualitätsware aus dem Hause der Clay Oven Company. Eine wahrlich exzellente Wahl! Übrigens vertrauen wir im Ivory Club auch auf die Produkte der Clay Oven Company.
Die als Papadams annoncierten Cracker haben wir so noch nie bei einem indischen Restaurant gesehen. Die knusprigen Fladen erinnern uns eher an indonesisches Kroepoek. Der dazu gereichte 3-Schichten-Dip aus Koriander-Pesto, Mango-Chutney und Joghurt ist vom Geschmacksbild allerdings wieder stringent indisch.
Der Restaurantname BIBI bedeutet in der indoarischen Sprache Urdu „Die Dame des Hauses“ und wird auf dem gesamten indischen Subkontinent gerne als Kosename für die Großmutter verwendet. Ob indische Omas ihren Enkeln häufig ein Orkney-Jakobsmuschel-Carpaccio kredenzen, wissen wir natürlich nicht, hegen aber doch gewisse Zweifel.
Die kleinen Hummer-Kaviar Vada Pavs sind köstlich, erinnern uns von Optik und Geschmack aber eher an eine miniaturisierte Boston-Lobster-Roll. Sehr lecker, aber eben auch nicht sehr indisch.
Hier sehen wir ein kühles Joghurt-Chaat mit Koriander-Pesto, Tamarind-Sauce, Granatapfel-Kernen und Boondi-Flour-Puffs. Der erfrischende Snack ist genau nach unserem Gusto und erinnert mit seinem Geschmacksbild erstaunlich präzise an unsere beliebten Pani-Puri-Sphären im IVORY CLUB.
Der Steinbutt ist von exquisiter Qualität; der Garpunkt wurde präzise getroffen; die geräucherten Muscheln sind subtil aromatisiert und die lustigen Zucchini-Spaghetti sind ein durchaus passendes Supplément. Das Gericht ist in sich absolut stimmig und könnte genau so auch im renommierten 2-Sterne-Restaurant Moor Hall serviert werden. Allerdings erhoffen wir uns bei einem Besuch in einem indischen Restaurant eine eher weniger dezente Aromatik. Bill Buford, der kluge Autor von so grandiosen kulinarischen Pflichtlektüren wie „DRECK – Wie ich meine Familie einpackte, Koch in Lyon wurde und die Geheimnisse der französischen Küche aufdeckte“ oder „HITZE – Meine Abenteuer als Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling“, hat einmal die These postuliert, dass lecker auch immer das Erfüllen von Erwartungshaltungen ist. Uns leuchtet seine Theorie vollkommen ein. Wie sollte man jemandem, der gerade Lust auf eine Sucuk-Knoblauch-Pizza hat, mit einer köstlichen Açaí-Quinoa-Bowl glücklich machen?
Der exklusive Burrata-Paneer erinnert von Konsistenz und Geschmack verblüffend exakt an ganz normalen Paneer-Käse. Serviert wird der köstliche Grillkäse auf Schmorzwiebeln und einer faszinierend milden Green-Chili-Emulsion.
Hier sehen wir einen Herford-Beef-Tatar mit fermentiertem Tellicherry-Pfeffer. Die Kreation schmeckt exakt so, wie es die Optik verspricht.
Hier sehen wir ein paar Lamb-Chops vom traditionellen Sigree-Grill. Die beiden Mini-Tomahawks sind butterzart und rabenschwarz. In Deutschland würde eine so beherzte Kolorierung sicherlich zu heftigen Diskussionen führen. In London hingegen scheint die toxische Wirkung von Acrylamiden bisher noch kein großes Thema zu sein.
Hier sehen wir ein Herford-Sirloin Sigree-Grill!
Auch ein hausgemachtes „Magnum“-Eis findet sich auf der Speisekarte des BIBI!
Nun zu unserem Resümee: Das BIBI ist wahrlich ein zivilisierter Ort der kulinarischen Kontemplation. Man kann dort in gepflegter Atmosphäre handwerklich perfekt zubereitete Gourmetspeisen genießen. Man merkt sofort, dass Chet Sharma sein Handwerk in renommierten Sterne-Häusern wie dem LEDBURY und dem MUGARITZ erlernt hat. Dementsprechend ist das BIBI eher etwas für Liebhaber der subtilen Haut-Cuisine-Aromatik. Fans der authentischen indischen Gewürz- und Vitalküche empfehlen wir allerdings doch lieber Restaurants wie das Chutney Mary, Jamavar, Brigadiers, Veereswamy, Amaya, Gymkhana oder das wundervolle Bombay Bustle.