In Ländern wie der Türkei, Japan, Portugal, Griechenland, Italien, Spanien und Frankreich halten Politiker die handwerklich arbeitende Individualgastronomie noch für ein wichtiges und schützenswertes Kulturgut. In Deutschland hingegen zeigt sich der geringe Stellenwert der Gastronomie bereits im kürzlich online gestellten Wahl-O-Mat: Während dort Themen wie Tempolimit, Frauenquoten, Ehrenämter und die Frage, ob die Formulierung „Verantwortung vor Gott“ weiterhin im Grundgesetz stehen soll, ausführlich behandelt werden, findet sich kein einziger Punkt, der sich mit den existenziellen Sorgen und Problemen der ethisch arbeitenden Speisegastronomie beschäftigt.
Nachdem der Wahl-O-Mat versäumt hat, die für die Gastronomie relevanten Themen abzufragen, hat der DEHOGA beschlossen, die Wahlprogramme der Parteien auf ihre Gastronomietauglichkeit hin zu überprüfen. Wenig überraschend stellte sich dabei heraus, dass die Grünen keine einzige zentrale Forderung des DEHOGA unterstützen. Sie setzen sich weder für eine praxistaugliche Flexibilisierung der Arbeitszeiten ein noch für den Abbau bürokratischer Hürden oder eine im europäischen Kontext faire Besteuerung der ethisch arbeitenden Speisegastronomie. Leider sieht es bei den Wahlprogrammen der LINKEN und der SPD kaum besser aus.
Die CDU/CSU und die FDP haben hingegen wirklich alle zentralen Forderungen des DEHOGA in ihre Wahlprogramme aufgenommen. Leider ist das noch lange kein Grund zur Freude. Da die CDU/CSU im Rahmen der sogenannten Brandmauer versprochen hat, nicht mit der AfD zu koalieren, und die FDP höchstwahrscheinlich nicht die notwendigen Stimmen für eine schwarz-gelbe Koalitionsmehrheit organisieren kann, muss die CDU/CSU nach der Wahl wohl oder übel mit den Grünen, der SPD oder – in einem durchaus möglichen Worst-Case-Szenario – sogar mit beiden koalieren.
Nun weiß jeder, der die flammenden Reden im Bundestag rund um die Debatte über die endgültige Entfristung der temporären Mehrwertsteuersenkung aufmerksam verfolgt hat, dass für Grüne und SPD der Kampf gegen die handwerklich arbeitende Gastronomie eine echte Herzensangelegenheit ist. Dementsprechend sieht es für engagierte Wirte je nach Koalitionskonstellation entweder schlecht oder sogar sehr schlecht aus. Warum? Weil die handwerklich geführte Speisegastronomie als das mit Abstand schwächste Glied in der wirtschaftlichen Nahrungskette ein ideales Opfer ist, das man im Rahmen eines Koalitionskompromisses am leichtesten über die Klinge springen lassen kann.