In unserem Juli-Newsletter haben wir darüber berichtet, dass die Politiker der kürzlich zerbrochenen Fortschrittskoalition noch im Sommer einträchtig beschlossen hatten, kein solidarisches Zeichen zu setzen und auf ihre automatisierte Diätenerhöhung zu verzichten – obwohl sie nur ein halbes Jahr zuvor das Wahlversprechen ihres gemeinsamen Kanzlers, die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie nicht zu erhöhen, eiskalt gebrochen hatten.
Viele verzweifelte Wirte haben dieses politische Signal damals mit großer Empörung registriert und sich gefragt, was ihnen die Fortschrittspolitiker der Zukunftsampel damit sagen wollen, wenn sie sich in einer Zeit, in der angeblich kein Geld für eine faire Besteuerung der handwerklichen Speisegastronomie vorhanden ist, ihre eigenen Diäten schon wieder auf nunmehr 11.227,00 Euro (plus einer zusätzlichen steuerfreien Kostenpauschale von ca. 5.052 Euro) erhöhen lassen.
Die großzügige Diätenerhöhung erscheint umso frivoler, wenn man die Höhe der Mehrwertsteuersätze in der Gastronomie in den einzelnen EU-Ländern mit den jeweiligen Abgeordnetendiäten kontextualisiert. Ein, wie wir finden, spannender Ansatz, denn bekanntlich gelten in 23 von 27 EU-Ländern schon seit Langem in der Gastronomie stark reduzierte Mehrwertsteuersätze.
Ein Vergleich mit unseren direkten Nachbarn zeigt folgendes Verhältnis von Mehrwertsteuer zu Lohn:
In der Tschechischen Republik erhält ein Abgeordneter ein Grundgehalt von ca. 6.100 Euro (+ stfr. Aufw.-Pa. von ca. 2.000 Euro) bei einem Mehrwertsteuersatz auf Speisen in der Gastronomie von 12 Prozent. In Frankreich verdient ein Abgeordneter ca. 7.600 Euro (+ stfr. Aufw.-Pa. von ca. 5.370 Euro) bei einem Mehrwertsteuersatz von 10 Prozent. In Belgien sind es ca. 9.000 Euro (+ stfr. Aufw.-Pa. von ca. 2.190 Euro) bei 12 Prozent. In Österreich beträgt das Einkommen eines Abgeordneten ca. 10.000 Euro (+ stfr. Aufw.-Pa. von ca. 3.500 Euro), während der Mehrwertsteuersatz bei 10 Prozent liegt. In den Niederlanden verdient ein Abgeordneter ca. 8.000 Euro (+ stfr. Aufw.-Pa. von 4.667 Euro) bei nur 9 Prozent Mehrwertsteuer. In Italien verdient ein Abgeordneter ca. 6.500 Euro (+ stfr. Aufw.-Pa. von 3.500 Euro) bei 10 Prozent. Im Nicht-EU-Anrainerland Schweiz verdient ein Abgeordneter umgerechnet ca. 5.900 Euro(+ stfr. Aufw.-Pa. von 4.560 Euro) bei einem Mehrwertsteuersatz von nur 8,1 Prozent.
Es wird also sehr schnell klar, dass die deutschen Abgeordneten im Vergleich zu ihren Kollegen in den Nachbarländern nicht nur absolute Spitzenverdiener sind, sondern auch, dass in Deutschland die Schere zwischen der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie und den Abgeordnetendiäten mit Abstand am weitesten auseinanderklafft. Das zeigt nicht nur sehr deutlich, wie hoch deutsche Politiker ihre eigene Leistung evaluieren, sondern auch, was sie von der handwerklich arbeitenden Speisegastronomie halten.
Übrigens wagen wir an dieser Stelle einmal die steile These, dass trotz der desolaten Finanzlage Deutschlands die Diäten auch im Jahr 2025 wieder automatisch und völlig geräuschlos nach oben „korrigiert“ werden.