In letzter Zeit haben uns diverse gut informierte Frequent-Eater euphorisch berichtet, dass die spektakuläre Restaurantformel Amazonico in Madrid aktuell für ordentlich Furore sorgt. Jetzt hat auch noch die englischsprachige Branchengazette Big Hospitality verkündet, dass die legendäre Doğuş Holding die weltweiten Amazonico-Franchise-Rechte erworben hat und nun plant, eine erste Spin-off-Unit am Londoner Berkeley Square zu eröffnen. Die Doğuş Holding hat bei ihrem Portfolio bisher immer ein exzellentes Händchen bewiesen, immerhin gehören zu ihrem erstaunlichen Asset mittlerweile so legendäre Hochfrequenz-Performer wie Zuma, Nusr-Et, Rüya, Masa, La Petite Maison, Roka und Coya. Die Erwartungen in das neue Superbrand-Joint-Venture sind deshalb entsprechend hoch. Auch liegt die neue Location genau zwischen dem Benares und dem Sexy Fish und befindet sich somit genau im sagenumwobenen Auge der weltweiten Hospitality-Branche. Einen prominenteren Ort für einen globalen Kick-off kann man unmöglich finden. Da wir aber bis zur Eröffnung in einem Jahr auf keinen Fall warten wollten, haben wir uns spontan entschlossen, ins Land der Angulas-Eater zu reisen, um dort für Euch schon einmal das original Amanzonico etwas genauer unter das Mookular zu nehmen.
Mit dem Namen Amazonico assoziiert man natürlich sofort die schwüle Hitze des Amazonas und die dichten Baumwipfel des brasilianischen Regenwaldes. Um das Dschungel-Thema aufzugreifen wurden große Teil der Decke und des Restaurants üppig mit künstlichem Blätterwerk, Schlingpflanzen und Farnen dekoriert. Man hat so fast das Gefühl, in einem opulenten subtropischen Al-Fresco-Gazebo zu dinieren.
Insgesamt erinnert das Restaurant mit seinen barocken botanischen Elementen, skurrilen 70er-Jahre-Zitaten und den rustikalen Masonry-Wänden wie ein wildes Mash-up aus Rainforest Cafe und einer Low-Budget-Version der Atrium-Terrasse im Reginalds. Dank einer raffinierten Lichtarchitektur funktioniert das bizarre Mischmasch aber erstaunlich gut.
Verantwortlich für das eklektische Jungle-Design sind die in Barcelona ansässigen Lázaro Rosa Violán-Studios. Aus dem Think-Tank der Kreativschmiede stammt beispielsweise auch das beindruckende Mango Tree in Washington DC, das rustikale Iberica in Canary Wharf und das lässige Industrial-chic-Konzept Les Chouettes in Paris. Bei dem ausgeklügelten Lichtdesign haben sich die Lázaro Rosa Violán-Studios allerdings Rat und Tat bei dem renommierten Lichtdesigner-Team von Light & Studio eingeholt. Die in Madrid, Shanghai und Mexico agierenden Licht-Experten sind unteranderem verantwortlich für das spektakuläre Lightseeting im street XO von Mastermind Dabiz Muñoz. Interessierte Leser können sich übrigens auf der Webseite von Light & Studio genau die komplexe Philosophie hinter dem raffinierten Beleuchtungskonzept des Amazonico erklären lassen. Eine recht spannende Lektüre.
Epizentrum und absolutes Highlight im Amazonico bildet aber die imposante Showküche. Hier wird alles an Küchen-Technik aufgefahren, was aktuell hip und angesagt ist. Es gibt einen traditionellen Irori Fire-Pit, Tandoori-Lehmöfen, einen Josper und einen typisch brasilianischen Churrasqueira-Horizontal-Grill.
Und wie es der opulente technische Overkill schon vermuten lässt, ist die Speisekarte ein geradezu groteskes Potpourri aller aktuell angesagten Ethno-Küchen. Es gibt hawaiianische Poke-Bowls, peruanisch inspirierte Quinoa-Salate, mexikanische Sea-Urchin-Guacamole, indische Tandoori-Naans, thailändische Kaeng Khiao Muscheln, japanisch marinierte Sake-Froschschenkel, brasilianische Rodizio-Spezialitäten und natürlich verfügt das Amazonica auch noch über einen großen Sushi-Counter.
Im Amazonica werden Fische gerne auf einem traditionellen japanischen Irori-Fire-Pit zubereitet. Auf einem lodernden Lagerfeuer Steckerlfisch zu grillen ist wohl die archaischste Form des Kochens. Man braucht lediglich etwas Sand, einige Holzscheite und einen Stock. Leider findet man aktuell nur wenige Restaurants, die sich dieser schlichten aber sublimen Methode bedienen. Eigentlich schade, denn ein offenes Lagerfeuer hat etwas sehr Kontemplatives. Ein Restaurant, das die Kunst der Steckerlfisch-Zubereitung perfektioniert hat, ist übrigens das Samad Al Iraqi in Dubai. Sicherlich werden wir Euch dieses faszinierende Konzept auch bald einmal in einer unserer nächsten Mookular-Berichte ausführlich vorstellen.
Über dem beindruckenden Churrasqueira-Grill rotieren gemächlich riesige Picanha-Spiese. Das Wort „Churrasco“ ist übrigens laut neuesten anthropologischen Studien lediglich eine onomatopoetische Lautmalerei, die das Zischen von in die Glut tropfendem Fett imitieren soll.
Die appetitlich kreisenden Ananas werden im Amazonico ebenfalls über einem feurig loderden Holzkohle-Feuer karamellisiert. Aufmerksame Mook-Magazin-Leser werden sich in diesem Kontext sicherlich noch lebhaft an Heston Blumenthals erstaunliche Rube-Goldberg-Hommage an den legendären Nouveau-Réalisme-Künstler Jean Tinguely erinnern.
Hier präsentiert uns der stolze Tandoori-Master eine Selektion seiner köstlichen Grilladen. Ein wahrlich appetitlicher Anblick.
Hier sehen wir Michaela Mook beim kritischen Studium der Speisekarte. Die First Lady des Mook Culinary Research Teams ist eine versierte Köchin und eine weitgereiste Feinschmeckerin. Die bizarre Rumble-in-the-Jungle-Karte im Amazonico verlangt aber auch ihr alles ab. Selten haben wir über eine Karte so gestaunt wie hier.
Die Froschenkel werden mit Sojasauce und Sake mariniert. Dazu serviert das Amazonica eine pikante Habanero-Chili-Sauce. Eine wahrlich kühn konstruierte Fusion-Kreation. Die Mook Redaktion vermutet allerdings, dass die meisten Gäste die köstliche Amphibie lieber mit Petersilie und einer schaumig geschlagen Knoblauchbutter kredenzt bekommen würden.
London gilt unter Kennern schon lange als das Mekka der indischen Aromen- und Vital-Küche. Die Konkurrenz und das Niveau sind dementsprechend hoch. Dieses Amazonico Naan-Bread würde allerdings selbst in London in der Champions-League mitspielen. Das Mook Culinary-Research-Team ist tief beeindruckt und vergibt für diese High-Carb-Kreation die absolute Höchstnote Mookstyle.
Die Chicken-Springrolls sehen klassisch aus. Die Hülle hat allerdings eher die Konsistenz einer soften mexikanischen Flauta. Der Snack ist also ein perfekter Appetizer für Menschen mit einer Abneigung gegen knusprige Speisen. Die dazu gereichte Mole Verde komplettiert das Gericht um eine pikante Note. Ein netter kleiner Snack.
Der Salat mit Tandoori-Hähnchen sieht eher rustikal aus, ist aber eine sehr geglückte Überraschung und schmeckt fast so gut wie sein entsprechendes Pendant im Ivory Club. Das sahnige Dressing ist gut ausbalanciert und präzise dosiert. Das Geflügel wurde im Tandoori-Ofen fachmännisch mit winzigen Micro-Brandings koloriert. Die stickstoffhaltigen Melanoidine der Maillard-Reaktion aromatisieren so das köstliche Geflügel mit dem typisch herzhaften Tandoori-BBQ-Flavour. Ein paar kleine Croutons ergänzen die Kreation noch um einen lobenswert knusprigen Akkord. Der Salat ist wahrlich ein erquicklicher Genuss. Das Lob ist übrigens nicht zu unterschätzen. Wie wir leider immer wieder feststellen müssen, sind gute Salate wirklich sehr schwer zu finden. Erstaunlicherweise müssen bei einem eigentlich simplen Gericht unzählige Dinge richtig gemacht werde. Es geht um Balance, Frische, Dosierung, Zutatenmix und präzise chronologische Abläufe. Erst wenn alle Komponenten und Prozesse perfekt aufeinander abgestimmt sind entsteht ein wirklich tadelloser Salat.
Hier sehen wir eine Spicy-Tuna-Roll.
Auch der unvermeidliche Quinoa-Salat darf natürlich nicht fehlen.
Hier sehen wir einen Toro Tatar mit einer opulenten Kaviar Nocke.
Die gutgelaunten Passadores hobeln mit ihren riesigen Cuchillo-Macheten dünne Scheiben Fleisch vom mächtigen Picanha-Skewer. Das Prozedere findet selbstverständlich standesgemäß am Tisch statt. Eine wirklich nette Show.
Wer allerdings Liebhaber der grandiosen Churrascaria-Multiples Fogo de Chão und Texas do Brazil ist, muss nicht zwingend auch Fan des Amazonico-Rodizios sein. Die von uns degustierte Picanha erinnerte von Textur und Durabilität eher mehr an mediterrane Erzeugnisse. Die Picanha im Amazonico ist deshalb eher etwas für Liebhaber einer robusteren Viskosität.
Auch Plattfische gehören zum kulinarischen Repertoire des Amazonico.
So sieht die Poke-Bowl des Amazonico aus. Man kann an Hand der Optik perfekt den Geschmack herauslesen.
Zum Abschluss gönnen wir uns noch eine Spinning-Pinapple vom Rotations-Grill. Die Kreation wird mit zwei Nocken Vanille-Eis serviert und schmeckt lecker nach Karamell und Ananas. Ein perfekter Moment, um darüber zu sinnieren, welchen aromatischen Effekt wohl Corioliskraft auf die exotische Stachelfrucht ausübt.
Im Untergeschoss des Amazonico befindet sich auch noch ein sehr lauschiger Jazz Club. Man kann hier zu den lässigen Tunes von Dizzy Gillespie und Thelonious Monk relaxt den Abend ausklingen lassen. Wahrlich ein wundervoller Hort der musikalischen Besinnung.