Noch vor wenigen Jahren war das Burns Supper außerhalb Schottlands nahezu unbekannt. Mittlerweile erfreut sich die ritualisierte Dinner-Zeremonie zu Ehren des schottischen Dichters Robert Burns aber weltweit bei scotophilen Hedonisten einer ähnlichen Beliebtheit wie die Karibikinsel Saint-Barth zu Weihnachten bei Ultra-High-Net-Worth-Individuals. Eigentlich kein Wunder, denn bei einem Burns Supper geht es nicht nur darum, dem lyrischen Œuvre des Dichters Robert Burns zu huldigen, sondern auch um jede Menge Spaß, Dudelsackmusik, reichlich Whisky und natürlich um das schottische Nationalgericht Haggis. Haggis, der geradezu mystische Schafsmagen, der großzügig mit Lammherz, –zunge, –leber, –lunge und reichlich leckerem Nierenfett gefüllt wird, ist dabei nicht nur kulinarisches Beiwerk, sondern essenzieller Bestandteil der gesamten Zeremonie. Nachdem der Master of Ceremonies einen Toast auf Robert Burns ausgebracht hat, rezitierte er noch die legendäre Ode „Address to a Haggis“ von Robert Burns. Mitten in der dritten Strophe „Cut ye up wi ready slight“ wird der kochend heiße Haggis mit einem Schwert andächtig zerteilt. Ein wahrlich bewegender Moment, den jeder einmal erlebt haben sollte. Wir zelebrieren das Burns Supper besonders gerne im Fife Arms Hotel im schottischem Highland-Ort Braemar. Das kürzlich liebevoll renovierte Hotel gehört Iwan und Manuela Wirth, den beiden sympathischen Eigentümern der legendären Galerie Hauser & Wirth. Deshalb ist das kleine, aber sehr feine 5-Sterne-Boutique-Hotel nicht ohne Grund mit tausenden von klug kuratierten Kunstwerken ausgestattet und dadurch nicht nur ein urgemütliches Refugium der kulinarisch-intellektuellen Kontemplation, sondern auch eine Art faszinierendes Museum.
Die Mook-Redaktion wäre nicht die Mook-Redaktion, wenn wir vor dem eigentlichen Burns Supper nicht noch einen kurzen Blick auf die erstaunliche Kunstsammlung des Fife Arms Hotel geworfen hätte. Die eklektische Sammlung des Fife Arms Hotel umfasst mehr als 14.000 Exponate, darunter Gemälde, Skulpturen, Möbel und historische Artefakte, und ist damit so unfassbar umfangreich, dass wir hier natürlich nur auf einige wenige besonders faszinierende Highlights eingehen können.
Der kunterbunte „Red Deer Chandelier“ im Foyer des Fife Arms Hotel stammt von keinem Geringeren als Richard Jackson, dem kontrovers diskutierten Enfant Terrible der internationalen Kunstszene. Spätestens seit der in Sacramento geborene Künstler die Frankfurter Schirn Kunsthalle in ein drollig-obszönes Kuriositätenkabinett verwandelt hat, dürfte der in Sierra Madre lebende Künstler selbst den eingefleischten Kunstbanausen ein Begriff sein. Der 1939 geborene Maler und Bildhauer ist wirklich ein nonchalanter Grandseigneur der Provokation, der schon über Urinpumpen nachgedacht hat, bevor Wim Delvoye überhaupt geboren war. Seine Leuchtskulptur im Fife Arms Hotel ist allerdings keine verstörende Cartoon-Skulptur, bei der diverse Flüssigkeiten durch sämtliche Körperöffnungen gepumpt werden, sondern ein fröhlich schöner Kronleuchter aus kunterbunten gläsernen Hirschgeweihen und Neonröhren. Eine wirklich extrem ästhetische Arbeit, die uns fast schon ein wenig an die flamboyanten Glasarbeiten von Dale Chihuly erinnert.
Was selbst viele anglophile Kunstliebhaber nicht wissen, ist, dass Ihre Majestät King Charles III., der kürzlich inthronisierte König des Vereinigten Königreichs und von Großbritannien, ein wirklich überraschend talentierter Zeichner und Aquarellist ist. Im Fife Arms Hotel finden sich diverse limitierte Lithografien seiner verblüffend virtuos exekutierten Werke. Hier sehen wir beispielsweise ein sehr schönes Aquarell vom Balmoral Castle.
Die imposante Tiffin-Chandelier-Deckeninstallation stammt, wie der ein oder andere Kunstliebhaber sicherlich bereits vermutet hat, von Subodh Gupta, dem sagenumwobenen Midas der indischen Kunstwelt. Der aus Neu-Delhi stammende Objekt-Trouvé-Künstler ist unbestritten einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler der Welt und hat sich längst in die exklusive Phalanx der zehn reichsten Kunstschaffenden Asiens eingereiht. Sein interdisziplinäres Œuvre umfasst die Bereiche Skulptur, Fotografie, Malerei, Performance und Videoinstallationen. Innerhalb dieses künstlerischen Spektrums schöpft Subodh Gupta seine Inspiration hauptsächlich aus den Tiefen indischer Klischees, wobei das traditionelle indische Tiffin-Edelstahlgeschirr eine ganz besondere Schlüsselrolle einnimmt. Aufmerksamen Lesern des Mook-Magazins wird in diesem Kontext sicherlich noch der kolossale Gupta-Tiffin-Skull vor dem prachtvollen Song Qi in Monaco in Erinnerung geblieben sein. Wer übrigens mehr über Tiffins und die damit verbundene Dabbawala-Kultur erfahren will, sollte im Anschluss noch unseren Bericht über das wundervolle Bombay Bustle lesen.
Der monumentale Kamin wurde höchstwahrscheinlich in Northumberland geschnitzt und zeigt verschiedene Szenen aus den Werken von Robert Burns. Übrigens ist zumindest ein Werk von Robert Burns jedem bekannt. Robert Burns ist nämlich der Verfasser des Lieds „Auld Lang Syne“. Der melancholische Song, der traditionell am Silvesterabend gesungen wird.
Die abstrakten Murals im exklusiven Clunie Dining Room stammen von dem Argentinier Guillermo Kuitca. Der Künstler ist bekannt für seine großformatigen musealen Werke, die oft von architektonischen Formen und Strukturen inspiriert sind. Das Wandgemälde im Fine Dining Restaurant des Fife Arms Hotels besteht aus einer Vielzahl geometrischer Formen und Farben. Die geradezu hypnotischen Muster sind sowohl ein eigenständiges Kunstwerk als auch ein integraler Bestandteil des gesamten Raumes. Das Wandbild fügt sich sehr harmonisch in die viktorianische Kubatur des Raums ein und schafft so gleichzeitig eine moderne und zeitgemäße Atmosphäre. Guillermo Kuitcas Fähigkeit, Kunst und Architektur auf raffinierte Weise miteinander zu verschmelzen, wird hier wirklich eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Der Drawing Room ist das gemütliche Wohnzimmer des Fife Arms Hotels. Der gesamte Raum ist opulent mit schottischen Kunstgegenständen, Antiquitäten und einem Picasso ausgestattet. Die Wände sind mit einem dicken, schallabsorbierenden Tartanstoff gepolstert, der eigens für das Fife Arms Hotel entworfen wurde. Die geradezu immersiv wirkende Decke wurde vom chinesischen Künstler Zhang Enli gestaltet und ist inspiriert von einer Querschnittsansicht eines schottischen Achats.
Der Steinway-Flügel im Vestibül des Fife Arms Hotel ist natürlich nicht nur ein profaner Steinway-Flügel, sondern vielmehr eine Skulptur des afroamerikanischen Künstlers Mark Bradford. Für die optische Gestaltung des Steinway-Flügels verwendete Bradford Papier und Bleichmittel. Er schichtete das Papier in verschiedenen Mustern übereinander und trug dann Bleichmittel auf, um die Farben entsprechend zu verändern. Das Ergebnis ist eine komplexe und vielschichtige Oberfläche, die die verschiedenen Facetten der amerikanischen Gesellschaft repräsentieren soll. Die nach dem griechischen Gott der sittlichen Reinheit und Mäßigung benannte Flügel-Skulptur „Apollo“ ist laut Mark Bradford kein Mahnmal für die Vergangenheit, sondern vielmehr ein Weckruf für eine bessere Zukunft.
Das Burns Supper im Fife Arms Hotel erfreut sich auch bei Celebrities großer Beliebtheit. Beispielsweise spielte bei der letzten Burns Night Dame Judi Dench zusammen mit Sharleen Spiteri am Steinway-Flügel von Mark Bradford ein sehr munteres ABBA-Medley. Auch beim diesjährigen Burns Supper tummelten sich wieder zahlreiche prominente Gesichter unter den Gästen. Anwesend waren beispielsweise Oda Jaune, Alexa Chung, Vanessa Kingori, James Nesbitt und Margot Robbie, die aus Asteroid City, Once Upon a Time in Hollywood und Babylon bekannte Schauspielerin. Übrigens ist Margot Robbie auch privat sehr sympathisch und hat lange und ausgelassen mit unseren Töchtern getanzt.
Das Fife Arms Hotel bietet interessierten Gästen eine knapp zweistündige Kunstführung durch das Hotel an. Wir haben uns dem Rundgang selbstverständlich angeschlossen und können deshalb sagen, dass man die faszinierende und sehr lehrreiche Führung durch das Hotel auf keinen Fall verpassen sollte. Wir haben dabei beispielsweise gelernt, dass es sich bei den Tieren in der beindruckenden Taxidermie-Halle nicht um die Braemar-Stadtmusikanten handelt.
Um eine solide Basis für das anstehende Burns Supper zu schaffen, starteten wir den kulinarischen Tag standesgemäß mit einem gepflegten Afternoon-Tea mit Scons und Flapjacks. Die sympathische Lady auf der rechten Seite ist übrigens Stefanie Reichel, eine gute Freundin und treue Stammkundin der Mook Etablissements.
Das abendliche Burns Supper im Fife Arms Hotel wird traditionell von einer Dudelsackgruppe eingeleitet, die vor dem Hotel ein kleines Konzert gibt. Die Herkunft des Dudelsacks ist übrigens bis heute nicht eindeutig geklärt. Man vermutet allerdings, dass das Instrument im Nahen Osten oder in Zentralasien entstand und erst im 10. oder 11. Jahrhundert über Umwege nach Schottland gelangte. Dort wurde er schnell zu einem beliebten Instrument der Highlander. In Schottland wurde der Dudelsack gerne als Kriegsinstrument eingesetzt, um die Moral der eigenen Truppen zu stärken und den Feind einzuschüchtern. Nach der verlorenen Schlacht von Culloden 1746 gegen die Engländer wurde den Schotten das Spielen des Dudelsacks allerdings streng verboten. Trotz dieser Verbote lebte die Dudelsacktradition in Schottland im Verborgenen weiter. Anfang des 19. Jahrhunderts erlebte die Dudelsacktradition eine regelrechte Renaissance und der Dudelsack wurde wieder zum beliebtesten Instrument der Schotten. Heute ist der Dudelsack aus der schottischen Kultur nicht mehr wegzudenken, und Dudelsackmusik wird regelmäßig zu den verschiedensten Anlässen gespielt, darunter den Highland Games, Hochzeiten, Beerdigungen und natürlich zu Ehren von Robert Burns.
Im Anschluss an das Konzert werden in der gemütlichen Lobby des Fife Arms Hotel Aperitifs und kleine Canapés gereicht. Hier sehen wir beispielsweise ein paar sehr delikate Lachs-Kaviar-Häppchen und einige wundervoll deftige Blutwurst-Pralinen. Eine tolle Surf-and-Turf-Variante ganz nach dem Gusto der Mook-Redaktion.
Das eigentlich Burns Supper findet im Clunie Dining Room statt, dem eleganten Fine-Dining-Restaurant des Fife Arms Hotel. Der komplette Raum ist mit den wundervollen Murals von Guillermo Kuitca geschmückt. An der Wand hängt ein beindruckendes Gemälde von Pieter Bruegel dem Jüngeren und vor dem Fenster tobt ein gewaltiger Wildwasserfluss. Der Clunie Dining Room ist wahrlich das perfekte Refugium, um ein Burns Supper standesgemäß zu zelebrieren.
Ein weiteres Highlight im Clunie Dining Room ist die beindruckende Open-Fire-Showküche. Der Clunie-Dining-Room ist übrigens nach dem direkt vor den Fenstern entlanglaufenden Wildwasserfluss Clunie benannt. Wenn es etwas ruhiger ist, kann man die tossenden Wassermassen sogar leise im Gastraum hören.
Als Amuse-Gueule wird uns ein Kaisergranat mit einer klassischen Marie-Rose-Sauce serviert. So schlicht die Präsentation, so großartig das Produkt. Die Konsistenz ist perfekt und nicht wie so oft sehr mehlig, die Garzeit absolut präzise getimed und die Sauce angenehm mild abgeschmeckt. Alles in allem eine sehr gelungene kulinarische Ouvertüre.
Hier sehen wir den nächsten Gang, eine Kartoffel-Lauch-Suppe. Der rustikale Klassiker wurde von der Küche handwerklich tadellos exekutiert und ist natürlich die perfekte Antwort auf einen klirrendkalten Tag in den frostigen schottischen Highlands. Insgesamt schmeckt das Gericht so, wie es die Optik verspricht.
Als Nächstes wird die Hauptattraktion, der Haggis, unter dem frenetischen Beifall der euphorisierten Gäste feierlich in den Speisesaal getragen. Begleitet wird der Küchenchef dabei von einem eifrigen Dudelsackspieler in voller Tartan-Montur, Kilt und einem Sgian dubh, dem kleinen, aber extrem scharfen Dolch, der traditionell immer im rechten Kniestrumpf getragen wird. Eine wirklich sehr erhabene Polonaise, die auch jedem empathischen Nichtschotten sofort klar macht, warum der Haggis nicht nur ein profanes Gericht ist, sondern vielmehr ein essentieller Teil der sozio-kulinarischen Identität des ganzen Landes.
Die Rolle des Masters of Ceremonies übernahm in diesem Jahr die berühmte schottische Schauspielerin Blythe Duff. Hier sieht man, wie sie kurz nach dem Rezitieren der Ode an den Haggis das schottische Nationalgericht fachgerecht tranchiert. Ein echter Gänsehautmoment!
Haggis, das sagenumrankte schottische Nationalgericht, wird nicht nur opulent mit köstlichen Lamminnereien wie Nierenfett, Lunge, Herz, Leber und Zunge gefüllt, sondern auch mit Haferflocken. Nun geht es sicherlich vielen so wie uns, die in ihrer Jugend regelmäßig mit Haferbrei gequält wurden, dass man einen regelrechten Ekel gegen alle Gerichte mit Haferflocken entwickelt hat. Aber keine Sorge, der pelzige, dumpfe und unterkomplexe Geschmack der Haferflocken tritt beim Haggis sehr dezent in den Hintergrund und wird durch das sublime Aromenspiel der verschiedenen Lamminnereien sehr geschickt überspielt. Begleitet wird der Haggis übrigens traditionell von Neeps and Tatties, Kartoffelpüree und zerstampften Kohlrüben. Welch eine heilige kulinarische Dreifaltigkeit!
Laut dem renommierten FORBES-Magazin gehören Hauser & Wirth neben Gagosian, Thaddaeus Ropac, PACE und David Zwirner zu den weltweit einflussreichsten und renommiertesten Galerien der Welt. Seit Kurzem betreiben Hauser & Wirth auch noch in der Mount Street, der wohl mondänsten Flaniermeile Londons, ein eigenes Restaurant. Wir haben die neue Location sofort nach der Eröffnung für Euch unter das gestrenge Mookular genommen. Interessierte Leser, denen der Bericht über das Burns Supper im Fife Arms Hotel gefallen hat, sollten sich auch unseren Bericht über das Mount Street Restaurant durchlesen. Den Artikel findet Ihr hier….LINK