Als der Ivory Club vor über einer Dekade seine Pforten öffnete, wurden wir von allen nur belächelt. Wirklich niemand wollte damals glauben, dass eine exklusive indische Upscale-Formel in Deutschland performen könnte. Wir aber haben noch nie versucht, opportunistisch den Markt zu lesen. Wir wollten nicht einfach auf Nummer sichergehen und uns risikolos in die unendliche Phalanx der uninspirierten Shabby-Chic-Restaurants einreihen. Wir haben uns ganz bewusst entschieden, die finanzielle Komfortzone zu verlassen, um unseren tiefsten Überzeugungen zu folgen und couragiert etwas völlig Neues zu wagen.
Unser mutiges Engagement wurde allerdings prompt belohnt. Sofort nach der Eröffnung wurde uns der begehrte Fizzz-Award für das innovativste neue Gastronomie-Design verliehen. Auch überhäufte uns speziell die internationale Fachpresse geradezu überschwänglich mit Lob und Anerkennung. Glücklicherweise erkannte aber auch die hiesige Klientel schnell, dass hier im beschaulichen Frankfurt etwas ganz Besonderes vonstatten ging. Erstmalig war Mainhattan die Geburtsstätte einer international relevanten Restaurantformel geworden. Wir waren zwar praktisch mit allen unseren Konzepten immer die First-Mover in Deutschland, mit dem Ivory Club war uns allerdings noch etwas viel Dramatischeres gelungen. Mit dem Ivory Club haben wir es tatsächlich geschafft, erstmalig einen echten globalen Game-Changer am kulinarischen Weltmarkt zu etablieren. Die Formel „Gymkhana-Club-im-kolonialen-Indien“ war zum damaligen Zeitpunkt etwas völlig Einmaliges. Nicht einmal im kolonial geprägten England gab es vergleichbare Konzepte. Erstaunlicherweise dauerte es trotz unseres überwältigenden Erfolgs noch fast ein Jahrzehnt, bis mit dem umjubelten Gymkhana in London ein erstes vergleichbares Follow-up-Konzept die kulinarische Weltbühne betreten hat.
Allerdings hat sich in diesem Zeitraum die indische Küche insgesamt angeschickt, die internationale Hospitality-Szene im Sturm zu erobern. Mittlerweile feiern die unterschiedlichsten indischen Restaurant-Konzepte rund um den Globus geradezu unglaubliche Erfolge. Als engagierte Pioniere dieses faszinierenden Trends verfolgen wir natürlich auch weiterhin die Entwicklung mit großer Freude und Akribie. Im Rahmen dieser Recherchen sind wir nun über ein ganz besonders kurioses indisches Restaurant-Konzept gestolpert. Das neue Carnival by Tresind in Dubai ist ein geradezu bizarres Mash-up aus kunterbuntem Kindergeburtstag, bizarrer Location und ambitioniertem Fine-Dining-Restaurant.
Angesiedelt ist das Carnival by Tresind im lebhaften Business-Hub DIFC. Der beliebte Financial District hat sich die letzten Jahre zu einem beeindruckenden gastronomischen Supercluster entwickelt. In einem Radius von nur wenigen Kilometern finden sich praktisch alle relevanten kulinarischen Global-Multiplayer wieder. Unter anderem so prominente Namen wie Zuma, Mint Leaf, Petite Maison, Gauchos, Roberto’s und Cipriani.
Vor einem Dinner im Carnival by Tresind lohnt es sich übrigens, ein wenig durch das nahegelegene DIFC-Center zu flanieren. Es befinden sich dort diverse spannende Galerien. Speziell Liebhaber der zeitgenössischen Kunst sollten sich dieses Vergnügen auf keinen Fall entgehen lassen. Hier sehen wir übrigens ein fotorealistisches Großformat der iranischstämmigen Künstlerin Afshin Pirhashemi. Ihr oft kontrovers diskutiertes Œuvre beschäftigt sich primär mit starken Frauen in der postmodernen arabischen Welt. Die in Teheran arbeitende Malerin ist übrigens aktuell auf der künstlerischen Überholspur und wird unter Insidern schon seit geraumer Zeit als echter Blue Chip gehandelt.
Hier sehen wir das Entree zum Carnival by Tresind. Im ersten Moment erinnert uns das Foyer ein wenig an unseren Besuch im circushaften Tickets-Restaurant der beiden Adrià-Brüder. Wie wir schnell feststellen, finden sich auch im weiteren Repertoire des Carnival by Tresind einige raffinierte Reminiszenzen an das avantgardistische Restaurant-Konzept in Barcelona. Offensichtlich haben die Betreiber des Carnival by Tresind ihre Hausaufgaben gemacht und einige sehr inspirierende Recherche-Reisen nach Spanien unternommen.
Als in jeder Facette vorbildliche Gäste versuchen wir natürlich immer eine opulente Rechnung zu produzieren. Aus diesem Grund glühen wir erst einmal mit ein paar Drinks an der Carnival-Bar vor.
Das Interieur im Carnival by Tresind ist ein fröhlicher Wirrwarr aus schwarz-weißen Razzel-Dazzel-Teppichen, kunterbunten Stühlen, goldenen Kunstbäumen und grazilen Stahl-Jurten. Das internationale Publikum scheint diesen architektonischen Spagat offensichtlich zu goutieren. Bei unserem Besuch platzte das Carnival by Tresind jedenfalls förmlich aus allen Nähten.
Indien gilt unter Experten schon lange nicht mehr nur als die Heimat der facettenreichsten Ethnoküche der Welt, sondern auch das Land der tausend Brote. Bei den meisten Deutschen erschöpft sich das Wissen über die indische Brotkultur meistens schon bei Pappadam, Chapati, Naan, Roti, Paratha und Dosa. Darüber hinaus gibt es aber noch Luchi, Sheermal, Appam, Bakshalu, Baati, Kachori, Puran, Taafttan, Thalipeeth, Uttapam und Sanna. Die Liste könnte man an dieser Stelle noch fast unendlich weiterführen. Selbst den geschulten Mitgliedern der Mook Redaktion ist es nicht möglich, die gesamte Vielfalt der indischen Brotwelt in voller Gänze zu überschauen. Das Carnival by Tresind greift das Brot-Thema schon geschickt beim Amuse-Geule auf. Der köstliche kleine Masala-Bread-Swirl wird auf einem winzigen Plastik-Bonsai-Garten serviert. Das Ganze erinnert aufmerksame Mook-Magazin-Leser natürlich sofort an die Hibachi-Wagyu-Beef-Präsentation im Pakta. Offensichtlich haben die Carnival by Tresind-Betreiber auch die spektakuläre Nikkei-Formel der beiden Adria Brüder besucht. Geschmacklich ist das frisch gebackenen Brot übrigens köstlich.
Pani Puri, auch bekannt als Pani Poori, Phoochka, Gol Gappa oder Gup Chup sind in Indien äußerst beliebte Road-Side-Snacks. Das Wort Pani Puri bedeutet wörtlich übersetzt „Wasser im gesottenem Brot“. Dementsprechend besteht das filigrane Gebilde aus einem kross frittierten Fladenbrot-Körbchen, das mit einer kühnen Mischung aus pikanten Kartoffeln, Kichererbsen, Granatapfelkernen, Tamarindensauce und Raita befüllt wird. Der köstliche Happen bespielt damit geschickt fast alle Geschmäcker und Aggregatzustände: süß und sauer, kühl und warm, spicy und mild, knusprig und soft, cremig und knackig.
Das Carnival by Tresind hat das mittlerweile viral gegangene Table-Action-Dessert-Sujet des legendären ALINEA in Chicago als Template für seine effektvolle Pani-Puri-Präsentation gewählt. Der Koch fährt dabei mit einem imposanten Servierwagen vor, auf dem sich eine große Pani-Puri-Sphäre befindet. Danach finished er das filigrane Gebilde mit allerlei Saucen, Stuffings und einer Unmenge an flüssigem Stickstoff. Als Nächstes hebt er das so präparierte Pani Puri in die Luft, um es anschließend mit einem furiosen Paukenschlag zu zerschmettern. Das so dekonstruierte Pani Puri schmeckt exzellent und erreicht geschmacklich fast schon die Perfektion des legendären Ivory Club-Pani Puris. Hier könnt Ihr Euch ein kleines Handy-Video der erstaunlichen Performance anschauen.
Hier haben wir zum Vergleich noch ein Foto des original Ivory Club-Pani Puri in den Bericht eingebaut. Soviel wir wissen sind wir übrigens deutschlandweit die Einzigen, die einen solchen imposanten XL-Pani Puri auf ihrer Speisekarte feilbieten. Falls wir uns an dieser Stelle doch irren sollten, schreibt uns doch bitte eine kleine Mail an: info@mook-group.de
Ein Besuch im Carnival by Tresind ist eine gastronomische Fiesta, die die Grenzen des gehobenen Dinierens bei weitem überschreitet! So steht es jedenfalls vollmundig auf der Webseite des Carnival by Tresind. Was die Betreiber damit meinen, zeigt folgende Speisepräsentation besonders exemplarisch. Ein als Bob der Baumeister verkleideter Carnival-Koch fährt mit einem infantilen Stillleben aus Spielzeugkran, Kinderbagger und Werkzeugkiste vor, um dort vor den Augen des staunenden Publikums eine imposante Vada-Pav-Zeremonie zu zelebrieren.
Beim indischen Vada Pav handelt es sich um einen kleinen, vegetarischen Slider-Burger, der je nach Gusto ganz unterschiedlich bestückt werden kann – ähnlich wie eine osmanische Kumpir oder eine beladene Ofenkartoffel. Im Inneren verbirgt sich meist ein goldgelb ausgebackener Kartoffel-Patty, der mit einer würzigen Masala-Mischung abgeschmeckt und in einem weichen, leicht süßlichen Brötchen serviert wird. Dazu gibt es je nach Region und Street-Food-Stand diverse Chutneys, eingelegtes Gemüse, Röstzwiebeln oder auch knusprige Chili-Fäden.
Der köstliche Imbiss gehört zur Familie der sogenannten Chaats – kleinen, tapasartigen Happen, die in Indien traditionell an Straßenständen gereicht werden und sich insbesondere unter Einheimischen aller Altersklassen enormer Beliebtheit erfreuen. Der Vada Pav ist besonders in der quirligen Millionenmetropole Mumbai extrem populär und hat dort längst Kultstatus erreicht. Vor allem bei Nachtschwärmern gilt er als der perfekte Sober-up-Snack – herzhaft, sättigend, aber nicht zu schwer.
Hier sehen wir nun einen frisch zubereiteten Vada Pav, so wie er von einem erfahrenen Street-Food-Meister serviert wird. Der handliche Burger ist ein wahres Füllhorn an Aromen, Texturen und Kontrasten: außen knusprig, innen weich, süßlich, scharf, erdig und frisch zugleich. Kein Wunder also, dass sich dieser kleine Happen seinen festen Platz im kulinarischen Alltag der Inder erobert hat – und längst auch darüber hinaus internationale Foodie-Herzen höherschlagen lässt.
Wer nun denkt, dass es sich beim Carnival by Tresind lediglich um einen kulinarischen Karneval handelt, irrt gewaltig. Die handwerkliche Qualität der Speisen ist exzellent. Besonders die sublim abgeschmeckten Curry-Gerichte können die Mook Redaktion begeistern. Ob mildes Korma-Chicken oder würziges Lamm-Jalfrezi, das Carnival by Tresind beherrscht wahrlich virtuos die komplexe Kunst der Curry-Zubereitung. Hier steht das Carnival by Tresind dem Ivory Club in fast nichts nach. Lediglich bei einer Sache ist sich die Mook Redaktion einig: das Vindaloo-Curry im Ivory Club bleibt auch weiterhin unangefochten das absolute Referenzgericht für couragiert kalibrierte Curry-Gerichte.
Während wir diesen Artikel verfassen erreichen uns übrigens sehr interessante Neuigkeiten aus Dubai. Das Carnival Mothership Tresind wurde gerade vom der Jury des beliebten TimeOut Magazins zum Besten indischen Restaurant der Wüstenmetropole gewählt. Ein wahrlich grandioser Erfolg, speziell wenn man bedenkt, dass Dubai nach London die besten indischen Restaurants der Welt beheimatet. Dabei reicht das Spektrum vom günstigen Curry-Shack bis zum absoluten High-End-Inder. Bei unseren Ivory Club-Recherchen sind uns dabei folgende Adressen besonders positiv in Erinnerung geblieben: Indego by Vineet Bhatia, Mint Leaf of London, Amal, Rang Mahal by Atul Kochhar, Nina und natürlich das grandiose Signature by Sanjeev Kapoor. Alle eben genannten Restaurants können wir ebenfalls uneingeschränkt empfehlen.
Einziger Kritikpunkt an diesem Curry ist die üppig dosierte Daikon-Kresse. Die Sprossen erzeugen ein irritierendes Mundgefühl und gehören einfach nicht auf Currys. Wir entschließen uns deshalb, die Daikon-Blätter mühsam händisch vom Teller zu klauben.
Natürlich darf zu einem echten indischen Curry kein Naan-Brot fehlen. Die köstlichen Teigfladen gehören schließlich zu den ikonischsten Beilagen der indischen Subkontinentsküche. Traditionell werden sie in einem sogenannten Tandoor gebacken – einem zylinderförmigen, meist aus Lehm gefertigten Ofen, der ursprünglich aus der Region Punjab stammt und seit Jahrhunderten in ganz Südasien zum Einsatz kommt. Der Tandoor ist dabei weit mehr als nur ein Küchenwerkzeug. Er ist ein kulturelles Relikt, ein Symbol für geselliges Beisammensein und ein zentrales Element in zahllosen Familien- und Straßenküchen.
Die hohe Hitze im Inneren des Tandoors – oftmals bis zu 480 Grad – sorgt für die charakteristische Blasenbildung, das rauchige Aroma und die leicht verkohlten Ränder des Naan-Brots, die bei echten Kennern als besonderes Qualitätsmerkmal gelten.
Die köstlichen Teigfladen werden übrigens später auf der Rechnung als Bread Pitt aufgeführt.
Wie das kulinarisch geschulte Auge unschwer am verwaisten Nachbartisch erkennt, plündert das Carnival by Tresind auch noch ungeniert die original Table-Aktion-Dessert-Präsentation aus dem kulinarischen Repertoire von Grant Achatz. Die Idee auf einen Pani Puri zu übertragen war noch eine durchaus originelle Transferleistung, beim Dessert sind wir hier etwas anderer Meinung. Ohnehin hat sich die Vorführung mittlerweile sehr inflationär verbreitet. Erst kürzlich wurde uns im „Duchess“ Amsterdam ebenfalls eine leicht abgespeckte Alinea-Dessert-Hommage kredenzt.
Im „Carnival by Tresind“ wird selbst das Begleichen der Rechnung zur Inszenierung. Statt das übliche, fantasielose Ledermäppchen zu zücken, präsentiert man uns die Rechnung augenzwinkernd in einer bonbonbunten Kaufmannsladenkasse aus Kindertagen – inklusive aufklappbarem Kassenfach und extragroßen Plastiktasten. Ein herrlich ironisches Detail, das perfekt zur verspielten Konzeptküche passt und einmal mehr zeigt, dass hier wirklich nichts dem Zufall überlassen wird.