Schon seit geraumer Zeit sind die klassischen Foodie Destinationen wie Las Vegas, Tokyo und New York erstaunlich statisch. Selbst im sonst so volatilen Dubai haben in letzter Zeit nur bekannte London-Spin-Offs, wie das Coya oder das The Ivy, für echte Furore gesorgt. Ganz anders sieht die Situation in der britischen Hauptstadt aus. Hier eröffnet praktisch im Wochentakt eine visionäre Venue nach der anderen. Mittlerweile nennt man die Stadt an der Themse nicht umsonst immer häufiger das Silicon Valley der globalen Hospitality-Industrie. Der umtriebige Multigastronom Alan Yau ist dabei seit vielen Jahren einer ihrer prominentesten Protagonisten. Der kulinarische Trailblazer ist beispielsweise verantwortlich für so unfassbar erfolgreiche Konzepte wie Hakkasan, Yauatcha oder Princi. Nach seinem hoch lukrativen Exit widmet sich der agile Mastermind nun neuen Aufgaben. Erst kürzlich eröffnete er mit dem Babji eine extrem erfolgreiche Neo-Pide-Formel in Soho. Parallel dazu installierte er auch noch mit dem Duck & Rice ein völlig neuartiges Hybrid-Konzept, das die englische Pub-Kultur mit chinesischer Comfort-Cuisine verbindet. Alan Yau ist wirklich immer für eine kulinarische Überraschung gut. Nun kramt der geniale Restaurateur auch noch sein leider damals in New York gescheitertes High-End-Konzept Park Chinois wieder aus der Schublade. Einen exklusiven Supperclub im Chinoiserie-Chic-Stil, der den burlesken Zauber des Shanghai der 30er Jahre wieder neu entfachen möchte.
Das Park Chinois liegt in den ehemaligen Räumlichkeiten der Automat Brasserie, genau zwischen Benares, Sexy Fish, Novikov und Nobu. Damit hat sich rund um den Berkley Square ein neues kulinarisches Epizentrum von geradezu epischen Ausmassen gebildet.
Die faszinierende Steuerphilosophie des deutschen Fiskus hat dafür gesorgt, dass es sich für engagierte kulinarische Entrepreneure kaum noch lohnt, in Deutschland in ethisch geführte Gastronomiebetriebe zu investieren. Speziell größere Summen sind schon lange nicht mehr in einem kaufmännisch akzeptablen Zeitraum zu recoupen. In London sieht die Sache offensichtlich völlig anders aus. Wie man in gut informierten Kreisen tuschelt, wurden auch für das Park Chinois wieder unglaubliche Summen in die Hand genommen. Angeblich hat Alan Yau für Umbau und Ablöse über 20 Millionen Euro investiert.
Dabei hat Alan Yau erstmalig federführend die Gestaltung seiner Venue selber übernommen. Dass ihm das ambitionierte Vorhaben grandios geglückt ist, erahnt man schon beim Betreten des opulenten Foyers. Wohin das Auge auch schweift, überall entdeckt man erlesene Oberflächen, Antiquitäten und exquisite Chinoserie.
Der laszive Suzy-Wong-meets-Jacques-Garcia-Stil führt sich auch in der kleinen feinen Bar stringent fort. In der Lounge des Park Chinois hatte die Mook Redaktion übrigens die Gelegenheit, einen längeren Plausch mit Alan Yau zu führen. Ein wirklich bewundernswerter Kollege, der versprach, demnächst einmal in Frankfurt vorbeizuschauen. Sicherlich ein fabelhafter Anlass, ihn einmal ausführlich für das nächst Mook Magazin zu interviewen.
Auch bei der Garderobe seiner Mitarbeiter scheint Alan Yau ein echter Perfektionist zu sein. Die coolen Barkeeper tragen Frackwesten, blütenweiße Hemden mit Vatermörderkragen, Piqué-Knöpfe, Cufflinks, Ärmelraffer und schwarze Papillons. Stilvoller kann man wohl kaum einen Rob Roy mixen. Wusstet Ihr eigentlich, dass man zum Frack ausschließlich eine weiße Schleife tragen darf? Schwarze Fliegen sind Kellnern und Dienern vorbehalten. Irrtümer, ob jemand Gast oder Kellner ist, sind somit absolut ausgeschlossen. Eine wichtige Information für Euer nächstes Galadinner bei der Queen.
Der Main-Dining-Room ähnelt von seiner gesamten Kubatur und dem Interior-Design auf eine geradezu verblüffende Weise dem prächtigen Ballsaal des geschichtsträchtigen Peace Hotel in Shanghai. Das legendäre Grand Hotel gilt als wahre Ikone des Art déco und sollte von jedem architektonisch interessierten Shanghai-Besucher einmal in Augenschein genommen werden. Am Bund, der Prachtmeile am Ufer des Huangpu, entstand übrigens schon in den 30er Jahren des letzend Jahrhunderts, wie an einer Perlenschnur aufgereiht, ein prachtvolles Art-déco-Gebäude nach dem anderen. In keiner anderen Stadt der Welt, nicht einmal in New York, gibt es noch heute so viele spektakuläre Art-déco-Gebäude wie in Shanghai. Wer übrigens mehr über das Paris des fernen Ostens erfahren möchte, sollte sich unbedingt einmal unseren Bericht über das Song Qi durchlesen. Ihr findet den Artikel problemlos über die Suchleiste des Mook Blogs.
An der Stirnseite des Restaurants befindet sich die obligatorische Bühne, auf der jeden Abend eine lässige Jazz-Band Klassiker von Duke Ellington bis Dizzy Gillespie performt. Die Mook Redaktion muss auch sofort an den fiktiven Obi Wan Nightclub aus Temple of Doom denken. Man hat fast das Gefühl, dass jeden Moment die entzückende Kate Capshaw in ihrem hautengen Cheongsam trällernd durch den Raum flanieren müsste. Zu dieser entzückenden Kulisse wäre sicherlich auch Busby Berkeley eine passende Choreografie eingefallen.
Die umlaufenden Kolonnaden sind das ideale Refugium für ein romantische Tête-à-Tête. Man lauscht den lässigen Jazz-Klängen, nascht und sinniert dabei über das verruchte Shanghai der 30er Jahre. Alan Yau weiß wirklich, wie man atmosphärisch dichte Räume schafft.
Ein weiteres architektonisches Highlight sind die spektakulären Toiletten. Die WC-Brillen sind aus massivem Mahagoni-Holz gefertigt. Die Spülkästen schimmern wie die gold folierten La Ferraris in Knightsbridge. Die Waschbecken sind modifizierte Schüsseln aus blau-weißem Ming-Porzellan und das Wasser ergiesst sich aus güldenen Schwänen. Wohin das Auge auch schweift, überall erblickt man kostbare Jade und edle Seidentapeten. Der geniale kulinarische Vordenker verschmilzt hier wahrlich raffiniert chinesische Zitate mit geradezu obszönem Luxus.
Selten hatte die Mook Redaktion beim Besuch von sanitären Anlagen einen ähnlichen Yau-Faktor.
Für jeden bedeutet Food-Porn etwas anderes. Für Japaner ist es Konowata, die köstlichen Innereien der Seegurke. Für Franzosen ist es dagegen eher ein Tête de Veau mit Sauce Ravigote. Für einen konservativ sozialisierten Teutonen ist es wiederum ein riesiges Schnitzel, das kilometerweit über den Tellerrand herausragt. Für Alan Yau scheint Food-Porn allerdings offensichtlich eine Pekingente mit Kaviar zu sein. Gleich acht verschiedene Variationen finden sich auf der Speisekarte. Dabei beginnt der Spaß schon zum Schnäppchenpreis von umgerechnet 120 Euro. Der real McCoy ist allerdings eine Version mit echtem iranischem Huso Huso Kaviar für knapp 400 Euro. Damit treibt Alan Yau das Surf-n-Turf-Thema wirklich auf ein völlig neues Level. Interessant ist auch, dass die Speisekarte die Kaviar-Enten direkt als erstes auflistet.
Ein wunderbar dekadentes Gefühl, eine dicke Nocke Kaviar auf einen mit krosser Entenhaut gefüllten Pancake zu streichen.
Der Bang Bang Chicken Salat ist ein erfrischender kleiner Snack.
Dim Sums sind sicherlich die bekanntesten Signature-Gerichte bei Alan Yau. Sein legendäres Restaurant Yauatcha widmet sich sogar ausschließlich den kleinen Leckereien aus Kanton. Müssig zu erwähnen, dass die Dim Sums auch im Park Chinois von geradezu herausragender Güte sind. Die hier gezeigten Won Ton sind übrigens mit Cornish Crab gefüllt.
Auch die köstlichen Shrimp Shumai erreichen spielend das gewohnte Yauatcha-Niveau.
Hier sehen wir die Überreste eines Gloucester old spot Pork-Chops. Ein krosser kleiner Happen.
Das hier abgebildete Hakka Paneer ist ein faszinierendes Fusion-Gericht aus indischem Paneer-Käse und der exotischen Aromenwelt Chinas. Entwickelt wurde diese erstaunliche kulinarische Chimäre übrigens von den Hakka Han`s, einer kleinen Gemeinde von Exil-Chinesen in Kalkutta.
Sogar diverse Süßspeisen führt das Park Chinoise im Angebot.
Sparsamkeit gilt in Deutschland ja als große Tugend. Dabei liebt es der Deutsche, speziell beim Essen zu sparen. Wie sozioökonomische Studien eindeutig gezeigt haben, gibt kein Volk der Erde prozentual weniger seines Nettolohns für Ernährung aus als der Deutsche. In China gilt Geiz bei Restaurantbesuchen und Nahrungsmitteln dagegen als große Schande. Es gibt sogar Restaurants, die nur deshalb extrem hohe Preise verlangen, damit Gastgeber die Möglichkeit haben, ihrem Gast gebührend Respekt zu zollen und damit ihre immense Großzügig noch eindrucksvoller unter Beweis zu stellen. Zu dieser Gattung gehört das Park Chinoise aber definitiv nicht. Wie man unschwer an unserer Rechnung ablesen kann, können zwei Personen schon für 507,91 britische Pfund viel Spaß im Park Chinois haben, zumindest wenn man konsequent auf teure Weine und Spirituosen verzichtet.
Wer übrigens schon einmal in China versucht hat, in einer größeren Runde die Rechnung zu begleichen, kennt das immer gleiche Ritual. Mit geradezu sportlichem Einsatz drängen alle Teilnehmer der Gruppe der Kellnerbrigade Geldbündel und Kreditkarten auf. Jeder möchte die Ehre haben, die anderen Teilnehmer einzuladen. Manch einer verabschiedet sich sogar fünf Minuten vor Ende des letzten Gangs auf die Toilette, allerdings nicht um dort seine Notdurft zu verrichten, sondern um heimlich die komplette Zeche zu begleichen. Der in Deutschland verbreitete Brauch, getrennt zu zahlen, ist in China dagegen völlig verpönt.
This is the End
(Jim Morrison)