Wenn der legendäre kulinarische Visionär Alan Yau eine neue chinesische High-End-Dependance in Monaco eröffnet, ist die Aufgabenstellung für das Mook Culinary Research Team natürlich klar definiert. Wir wissen schließlich genau, was unsere Community von uns erwartet. Nachdem es das letzte Jahr etwas ruhiger um Alan Yau geworden war, startet der agile Tausendsassa nun dafür jetzt erst richtig durch. Neben dem nagelneuen Song Qi in Monaco plant der rührige Multigastronom auch noch parallel drei völlig unterschiedliche Neueröffnungen in London. Obwohl alle drei Baustellen momentan nur mit einem mysteriösen schwarzen Metallverschlag verbarrikadiert sind, wissen gut informierte Brancheninsider trotzdem, was gemunkelt wird. Alan Yau plant offensichtlich ein türkisches Lahmacun-Konzept, ein chinesisches Upscale-Restaurant im Chinoise-Chic-Stils der 30er Jahre und eine asiatische Fast-and-Casual-Formel in Soho, die angeblich nur Ente und Reis servieren soll. Wir werden Euch in dieser spannenden Angelegenheit selbstverständlich auch weiterhin auf dem Laufendem halten. Hier sehen wir übrigens einen der geheimnisvollen schwarzen Alan Yau Metallverschläge in London. Ein wahrhaft fabelhaftes Beispiel für geglücktes Guerilla-Marketing.
Die gestalterische Idee der virtuosen Interior-Designer war es mit dem Song Qi ein Art-Deco-Restaurant im Shanghai der Roaring Twenties zu kreieren. Die jadegrünen Samtpolster schlagen dabei nicht nur eine raffinierte Brücke ins Reich der Mitte, sondern bilden auch einen wunderbar warmen Kontrast zu der eher harten geometrischen Ornamentik des Art Deco. In dieser klugen komponierten Kulisse hätten sich sicherlich auch Daisy Buchanan und Jay Gatsby sofort heimisch gefühlt.
Der Name des Restaurants leitet sich aus zwei Begriffen ab. Song war eine der prägendsten chinesischen Dynastien und beherrschte die Geschicke des riesigen Reiches von 960 bis 1279. Unter der Rigide der Song Dynastie wurden weltweit erstmalig Banknoten ausgegeben und der Reisanbau professionell industrialisiert. Auch fällt die Erfindung des Schiesspulvers in die Epoche der Song Dynastie. Bis heute gilt die Song Dynastie in China als Synonym für Macht und Stärke. Der chinesische Begriff Qi hingegen ist der zentrale Angelpunkt des Daoismus. Er bedeutet wörtlich übersetzt soviel wie Fluidum, Hauch, Temperament oder auch Kraft. Nach Auffassung des Daoismus durchdringt und umgibt das Qi alles. Eine Terminologie, die sicherlich auch einigen gut informierten Cineasten nicht unbekannt sein dürfte. Außerdem bezeichnet Qi die Emotionen des Menschen und steht nach moderner daoistischer Auffassung auch für die Tätigkeit des gesamten neurohormonalen Systems. Der große daoistische Philosoph Zhuangzi geht sogar noch einen Schritt weiter und beschreibt den kompletten Kosmos als aus Qi bestehend. In frühen Zeiten hätten wir hier sicherlich im Geiste des legendären Semiotikers Umberto Eco angefangen, eine umfängliche Analogie zum Weltraumepos von George Lucas zu spinnen. Diesen spannenden akademischen Diskurs müssen wir uns diesmal leider aus Zeitmangel aber sparen. Vielleicht hat ja ein Leser dieser Lektüre Lust, diese epische Aufgabe für uns zu übernehmen? Wir würden uns jedenfalls über zahlreiche Einsendungen sehr freuen: info@mook-group.de
Die Speisekarte ist wesentlich überschaubarer als im Hakkasan und huldigt vornehmlich die facettenreichen Hochküchen Kantons und Shanghais. Eine Peking Ente sucht man beispielsweise vergeblich auf der Speisekarte des Song Qi. Shanghai ist mit geschätzten 23 Millionen Einwohnern übrigens eine der größten Metropolen der Welt. Die Stadt ist aber nicht nur ein kulinarisches Epizentrum, sondern auch ein bedeutendes Kultur- und Bildungszentrum mit zahlreichen Universitäten, Theatern und Museen.
Wörtlich übersetzt bedeutet Shanghai „hinaus aufs Meer“. Der riesige Moloch trägt aber auch noch viele andere Namen: Perle des Ostens, Drachenkopf-Metropole, Tor zur Welt oder auch Stern des Ostens. Wie man unschwer erkennt, sind die geometrischen Marmor-Intarsien in der abstrahierten Form des „Star of Shanghai“ verlegt worden. Das riesige schwarzweiße Matroschka-Oktogramm verbindet dabei auf eine wunderbar subtile Art die chinesische Symbolik mit der Art-deco-Kulisse des Song Qi. Wahrscheinlich springt nicht jedem Besucher des Song Qi diese augenscheinliche Kohärenz sofort ins Auge – die Mook Redaktion allerdings goutiert solch sublime architektonische Petitessen.
Dieser grandiose Geistesblitz stammt übrigens diesmal nicht von Mastermind Christian Liaigre oder aus dem Think-Tank der Jestico+Whiles Studios. Alan Yau entschied sich beim Song Qi mal ausnahmsweise nicht für einen seiner alten Weggefährten, sondern für das in Monaco ansässige Architekten-Duo Emil Humbert und Christophe Poyet. Eine sehr gute Wahl. Die beiden haben ganz offensichtlich ein exzellentes Gespür für komplexe architektonische Herausforderungen. Die Humbert & Poyet Studios sind beispielsweise auch verantwortlich für die äußerst geglückte Ausstattung der Bouchon Brasserie in Monaco. Wie wir übrigens gerade der wundervollen Hausgazette GRUND GENUG von Engel & Völkers entnehmen, hat Christian Liaigre aktuell das private New Yorker Penthouse von Hotel-Ikone Ian Schrager gestalten dürfen. Aufmerksame Mook-Magazin-Leser werden sich sicherlich noch lebhaft an unseren ersten Berichte über das Yauatcha erinnern. Schon damals waren wir von der stilsicheren Handschrift des begnadeten Innenarchitekten begeistert und haben Christian Liaigre eine ganz großartige Zukunft prophezeit. An dieser Stelle auch ein großes Kompliment an die Kollegen des GRUND GENUG Magazins. Das Interview mit Ian Schrager war wirklich ein kurzweiliger Lesespaß.
Der lauschige Außenbereich liegt genau an der Avenue Princess Grace, der laut World Wealth Bulletin teuersten Straße der Welt. Genau nebenan befindet sich übrigens der in Monaco ansässige Rolls Royce Showroom. Wer also nach dem Essen noch ein wenig Lust auf Autoshopping hat….
Wer den legendären Gubta-Skull während der Biennale di Venezia verpasst hat, kann diesen fast unverzeihlichen Fauxpas nun glücklicherweise bei einem kleinen Lunch-Break im Song Qi korrigieren. Von der lauschigen Terrasse des Restaurants hat man nämlich nicht nur einen ganz fabelhaften Blick auf den Platz des Grimaldi Forums, sondern auch auf den gigantischen Metall-Schädel von Subodh Gubta. Der in Neu-Delhi ansässige Künstler zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern Indiens und gehört mittlerweile sogar in die elitäre Riege der zehn kommerziell erfolgreichsten Künstler Asiens. Sein erstaunlich breit gefächertes Œuvre umfasst Skulpturen, Fotografie, Malerei, Perfomance und Videoinstallationen. In seinen Arbeiten greift Subodh Gupta aber besonders gerne auf typische indische Klischees zurück, darunter auch die Verwendung von Edelstahlgeschirr. Aufmerksame Mook-Magazin-Leser werden sich jetzt sicherlich lebhaft an unsere ausführlichen Ausführungen über die indische Tiffin-Kultur erinnern. Auch seine faszinierende Schädel-Skulptur „Very hungry God“ besteht aus circa 3000 Töpfen, Pfannen und anderen hochglänzenden Küchenutensilien.
Nun aber genug parliert. Wenden wir uns nun unserer eigentlichen Aufgabe zu. Als in jeder Facette vorbildliche Gäste starten wir das fulminante Menü natürlich erst einmal mit einer kleinen Bouteille Champagner. In China gilt es nämlich als Zeichen des Respekts, eine möglichst hohe Zeche zu generieren. Zu diesem faszinierenden Thema kommen wir aber noch ausführlich am Ende dieser Reportage. Man beachte bitte an dieser Stelle auch einmal das stimmige Outfit des Garçon.
Dim Sums sind sicherlich die bekanntesten Signature-Gerichte bei Alan Yau. Sein legendäres Restaurant Yauatcha widmet sich sogar ausschließlich den kleinen Leckereien aus Kanton. Alan Yau ist übrigens nicht nur verantwortlich für das Yauatcha und das Hakkasan. Der agile Restaurateur ist auch das Mastermind hinter so erfolgreichen Brands wie: Busaba Eathai, Cha Cha Moon, Sake no Hana und die Princi Bakery. Die Princi Bakery serviert übrigens ganz phantastische Pizzakreationen, die teilweise sogar an die Qualität in Amerika heranreichen.
Die kleine Dim Sum Selektion besteht aus den Yau-Klassikern Shrimp Har Gau, Jakobsmuschel Shuimai und Pilz Chui Chow Dumplings.
Hier sehen wir ein paar ganz hervorragende Hähnchen-Potstickers. Werden Jiǎozi nämlich nicht gedämpft, sondern in der Pfanne kross gebraten, nennt man sie Guōtiē, was soviel bedeutet wie Topfkleber. Die gefüllten Teigtaschen sind mittlerweile übrigens auch in Japan sehr beliebt und werden dort Gyoza genannt.
China besteht aus 23 Provinzen mit teilweise sehr unterschiedlichen Regionalküchen. Die pikante Chuan-Küche aus Sichuan verwendet beispielsweise gerne Frühlingszwiebeln, Ingwer und reichlich Chili. Die kantonesische Yue-Küche ist bekannt für die köstlichen Dim Sums und die Verwendung außergewöhnlich anmutenden Zutaten. Insekten, Ameisenbären und Hunde gelten beispielsweise in Kanton durchaus als Delikatesse. Speziell Hundefleisch wird sogar eine medizinische Wirkung nachgesagt. Die uigurische Xinjian-Küche serviert neben ihren berühmten Fleischspießen auch gerne Bratkartoffeln und arabisch anmutende Fladenbrote. Die Peking-Küche kennt dagegen mehr als die berühmte Ente und wurde stark beeinflusst vom Reitervolk der Mongolen. Beispielsweise ist Hammel und Lammfleisch in der Peking-Küche sehr beliebt. Eine Spezialität der kaiserlichen Mandarin-Küche ist das Gericht Acht Köstlichkeiten. Die Hofköche verwendeten dazu gerne auch mal Kamelhöcker, Affenlippen und Bärentatzen. Heute wird allerdings aus Kostengründen lieber Huhn, Ente und Schweinefleisch verwendet. Die Fujian- oder Shanghai-Küche ist tendenziell etwas milder und daher eher kompatibel mit dem Gaumen einer christlich sozialisierten Langnase. Die Shanghai-Küche ist besonders berühmt für ihre phantastischen Fisch- und Meeresfrüchtekreationen. Hier sehen wir übrigens ein paar wirklich krosse Salt`n Pepper Squids.
Der Enten-Salat wird vom adretten Kellner fälschlicherweise als Morning-Glory-Salat annonciert. Wir sparen es uns aber, den freundlich lächelnden Kellner zu korrigieren und laben uns lieber gut gelaunt an dieser wirklich köstlichen kleinen Kreation.
Kung Pao ist bekanntlich ein Klassiker der Szechuan-Küche und steht eigentlich nicht auf der Speisekarte des Song Qi. Allerdings ist Kung Pao einer der Leibspeisen der Mook Redaktion und der sympathische Restaurantleiter lässt sich erweichen, eine Portion extra für uns herzustellen. Als kleine Retourkutsche verfeinert der Maître das Gericht allerdings mit einigen Sezchuan-Pfeffer-Kapseln. Die kleinen Biester wirken exzellent als lokales Anästhetikum und lähmen unsere Zungen für einige quälend lange Minuten. Unseren ersten Kontakt mit dieser amüsanten Delikatesse hatten wir übrigens bei Hessens einzigem Drei-Sterne-Koch Juan Amador. Sicherlich werden sich auch einige von Euch noch lebhaft an den erstaunlichen Effekt des Sezchuan-Reset-Buttons erinnern.
Das Black Pepper Beef wird vom Kellner als das absolute Singnature-Gericht im Song Qi empfohlen. Als gehorsame Gäste folgen wir natürliche seinem Rat.
Shanghai Pak Choi mit Knoblauch. Das Gericht hat eine hübsche grüne Farbe und ist sicherlich auch sehr gesund.
Puh, wir haben fertig. Die Reise ins triste Piratennest hat sich wirklich gelohnt.
FIN