Das typische Waldmeisteraroma ist nicht nur ein weiterer profaner Geschmack, sondern für viele Menschen auch eine regelrechte Zeitmaschine. Die unverwechselbare Aromatik von Waldmeister triggert das limbische System des menschlichen Cerebrums dermaßen raffiniert, dass den meisten teutonisch sozialisierten Ü40ern beim Verzehr sofort mächtige neuronale Flashbacks durch den präfrontalen Cortex zucken und sie in ihrem Gedankenpalast fast unweigerlich zurück in die heile Welt ihrer Jugend reisen. In Sekundenbruchteilen tauchen sie wieder in eine nostalgische Vergangenheit aus Langnese-Grünofant und künstlich-grüner Ahoi-Brause ein. Die Welt riecht wieder nach Freibad-Pommes, und irgendwo in der Ferne hört man, wie ein Tischtennisball auf eine harte Platte aus grauem Waschbeton knallt.
Wie treue Leser unseres Newsletters bereits wissen, bezeichnet man diese assoziative Verknüpfung olfaktorischer und gustatorischer Impressionen mit Emotionen in der Psychologie als Proust- oder Madeleine-Effekt. Benannt ist der Proust-Effekt nach einer Szene in Marcel Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, in der der Ich-Erzähler von einer mächtigen Kindheitserinnerung übermannt wird, als er eine in Tee getränkte Madeleine kostet.
Nun haben wir uns im FRANZISKA bekanntlich schon immer auf die Fahnen geschrieben, exakt diesen Proust-Effekt bei unseren Gästen zu triggern. Deshalb haben wir schon länger darüber nachgedacht, ein Dessert mit Waldmeister zu kreieren. Dabei kam uns die Idee, den Proust-Effekt noch zu verstärken, indem wir ein Softeis mit Waldmeistergeschmack entwickeln. Immerhin gibt es kaum ein anderes Guilty Pleasure, das so viele positive Emotionen weckt wie der Anblick eines perfekt gezogenen, spiralförmigen Softeis-Twists im Pappbecher. Die ungeduldige Wartezeit an der Theke, das erste Ansetzen des Löffels und die unverwechselbare kalte Konsistenz auf der Zunge sind tief verankert im kollektiven Geschmacksarchiv einer ganzen Generation.
Damit das Kalorienkonto nicht völlig aus dem Ruder läuft, haben wir diese Idee jedoch rasch verworfen und uns stattdessen entschieden, ein Frozen Yogurt mit Waldmeistergeschmack zu fusionieren. Das daraus entstandene FroYo erinnert in Textur und Temperatur stark an klassisches Softeis, enthält jedoch deutlich weniger Zucker und Fett und hat dadurch eine wesentlich geringere Kaloriendichte. So lässt sich bei uns pure Nostalgie ganz ohne Reue genießen.
Zum Schluss noch eine kleine, aber faszinierende historische Randnotiz. Margaret Thatcher, die ehemalige Premierministerin Großbritanniens, führte ihr Land mit kompromissloser Deregulierung, deutlichen Steuersenkungen und dem entschlossenen Abbau bürokratischer Hürden erfolgreich aus der wirtschaftlichen Stagnation. Ihre marktwirtschaftlichen Reformen legten den Grundstein für einen beispiellosen Aufschwung, der Großbritannien ab Mitte der 1980er-Jahre wieder zu neuer wirtschaftlicher Stärke verhalf. Doch lange bevor sie damit zur Ikone des Neoliberalismus avancierte, widmete sich die „Eiserne Lady“ einer ganz anderen Disziplin. Als promovierte Lebensmittelchemikerin war sie maßgeblich an der Entwicklung von Softeis beteiligt.