Christian Bau, der kluge Gastrosoph und legendäre 3-Sterne-Koch, hat sich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung darüber beklagt, dass die deutsche Politik die gehobene Speisegastronomie regelrecht verachtet und er noch nie einen prominenten Volksvertreter bei sich begrüßen durfte. In unseren Anrainerstaaten halten Politiker das zivilisierte Essen von gesunder und handwerklich seriös hergestellter Nahrung in einem gehobenen Restaurant hingegen für einen wichtigen Teil der kulturellen Identität ihres Landes. Wenn in Frankreich der Restaurantführer Guide Michelin veröffentlicht wird, findet ein Staatsakt im Élysée-Palast statt, und der Präsident singt persönlich ein Hohelied auf die Errungenschaften der französischen Haute Cuisine. In Ländern wie Italien, Spanien und Dänemark gehen Politiker ganz bewusst und prominent in gute Restaurants. Sie lassen sich dort mit den Köchen fotografieren und loben die hohe Qualität ihrer exzellenten Länderküche. Sie haben einfach verstanden, dass die handwerklich arbeitende Speisegastronomie nicht nur ein schützenswertes Kulturgut ist, sondern auch ein wichtiges Marketinginstrument für ihre Länder. Deshalb gelten in unseren Anrainerstaaten schon lange stark reduzierte Mehrwertsteuersätze auf Speisen in der Gastronomie. In der Schweiz müssen Wirte beispielsweise nur 7,7% Mehrwertsteuer entrichten. In Frankreich und Österreich werden 10% fällig. In den Niederlanden 9%, in Polen 8% und in Luxemburg sogar nur lächerliche 3%. Deshalb war eigentlich schon lange vor der Kaskade der Katastrophen klar, dass eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf ein im europäischen Kontext faires Niveau hierzulande schon lange überfällig war. In der Corona-Pandemie hat der Staat endlich reagiert und die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie auf 7% gesenkt. Nun kokettieren immer mehr Politiker mit der Idee, trotz kollabierender Margen, sinkender Umsätze und der aktuellen Inflationslage, die von Bundeskanzler Olaf Scholz eigentlich schon längst versprochene und dringend notwendige endgültige Entfristung der temporären Mehrwertsteuersenkung auf der Zielgeraden doch noch zu sabotieren. Angeblich, weil die aktuelle Haushaltslage es nicht erlaubt, die Gastronomie weiter zu „subventionieren“. Abgesehen von der Tatsache, dass eine faire Besteuerung ohnehin keine Subvention ist, stimmt auch das komplette Narrativ nicht. Schon Milton Friedman, der legendäre Wirtschaftsnobelpreisträger, Keynes-Antagonist und intellektueller Vordenker der Chicago School of Economics, hat erkannt, dass Inflation eine Steuer ist, die nicht vom Parlament verabschiedet werden muss. Folglich sammelt der Staat seine durch die temporäre Umsatzsteuerermäßigung entstehenden Steuermindereinnahmen bereits jetzt schon wieder über die analog zur Preisexplosion gestiegenen Steuermehreinnahmen bei seinen Wirten ein. Eine Tatsache, die von den engagierten Pro-19-Prozent-Politikern offensichtlich nicht verstanden werden will. Eine weitere Tatsache ist, dass Inflation immer mit steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen beginnt. Dadurch leidet die handwerklich arbeitende Speisegastronomie als extrem energiehungrige Lebensmittelmanufaktur nicht nur als erstes unter der Inflation, sondern auch besonders lange und brutal. Darüber hinaus hat das Statistische Bundesamt jetzt auch noch die ernüchternden Gastgewerbezahlen für das erste Quartal 2023 vorgelegt. Selbst im relativ guten März 2023 lag der Umsatz in der Gastronomie noch immer um gewaltige 14,3 Prozent niedriger als im Pre-Corona-März 2019! Angesichts dieser erschütternden Zahlen und Fakten zu fordern, die Steuern wieder auf das alte Niveau zu heben, ist wahrlich ein dicker Hund. Sollte die Ampel-Koalition nun tatsächlich beschließen, zur völlig überhöhten und komplett marktverzerrenden 19-Prozent-Besteuerung zurückzukehren, wird es zu einem regelrechten Pleitetsunami kommen. Laut einer Studie der DEHOGA würde die Rückkehr zur unmittelbaren Vernichtung von weiteren 12.000 steuerpflichtigen Gastronomiebetrieben führen. Besonders bedauerlich ist dabei die Tatsache, dass vor allem Betriebe betroffen sein werden, die es selbst noch heute wagen, ethisch produzierte Lebensmittel in hoher handwerklicher Tiefe zu verarbeiten. Ein weiterer negativer Effekt der Mehrwertsteuererhöhung wäre, dass viele bisher seriös arbeitende Wirte aus purer Existenzangst versuchen werden, die zwölfprozentige Preissteigerung durch den Verzicht auf Tierwohlprodukte und den Umstieg auf industriell gefertigte Convenience-Produkte zu kompensieren. Was das für katastrophale Folgen auf das sterbende Kulturgut „handwerklich arbeitende Gastronomie“ und die Volksgesundheit im Allgemeinen haben wird, muss man sicherlich nicht näher erläutern. Worauf man allerdings hinweisen sollte, ist, dass Wirte durch den Staat in der Corona-Pandemie in eine ganz besonders harte emotionale, finanzielle und bürokratische Sonderopferrolle gezwungen wurden. Wenn die Ampel-Koalition nun tatsächlich beschließen sollte, Gastronomen nach dieser traumatischen Erfahrung jetzt auch noch steuerlich über die Klinge springen zu lassen, werden garantiert sehr viele verzweifelte Kellner, Köche und Wirte der Ampel-Regierung diesen fiskalischen Dolchstoß nicht verzeihen und sich ganz sicherlich nach einer politischen Alternative umsehen.