Richard Caring ist der unangefochtene Lupus-Alpha der Over-the-Top-Gastronomie. Wenn er ankündigt, am legendären Londoner Berkeley Square ein italienisch inspiriertes Themenrestaurant zu eröffnen, versetzt das natürlich weltweit Szenekenner in ekstatische Euphorie. Immerhin dürfte spätestens seit dem Re-Opening des Annabel`s klar sein, dass der sagenumwitterte King of Mayfair garantiert nicht antritt, um einen beliebigen Stadtteil-Italiener zu eröffnen, sondern um die Standards für mediterranes High-End-Dining völlig neu zu definieren. Nun hat das sehnlich erwartete Bacchanalia endlich seine Pforten geöffnet. Damit war natürlich sofort klar, dass die Mook Redaktion die neue Hyper-Venue umgehend für Euch unter das gestrenge Mookular nehmen muss. Erfreulicherweise konnten wir durch etwas Glück und exzellente Beziehungen einen der ersten heiß begehrten Tische ergattern.
Um seine Vision von einem Next-Level-Italiener zu materialisieren, hat Richard Caring seinem Haus- und Hof-Architekten Martin Brudnizki wieder einmal eine Carte-blanche erteilt. Und jeder, der sich etwas mit dem architektonischen Œuvre von Martin Brudnizki auskennt, weiß, was das bedeutet. Immerhin engagiert man mit dem amtierenden Heavyweight-Champion der globalen Hospitality-Architektur keinen x-beliebigen Interior-Designer, sondern man entfesselt eine Urgewalt, die nur ein Ziel kennt, totale Eskalation. Jeder, der schon einmal unter der fauvistischen Gouaches-découpées-Decke im Sexy Fish ein Toro Nigiri verspeist hat oder an der rosa changierenden Estremoz-Marmor-Bar des Annabel`s an einem Pimms No.1 genippt hat, wird diese Tatsache sicherlich gerne bestätigen. Die Mook Redaktion hat übrigens schon sehr früh das gigantische Potential von Martin Brudnizki erkannt und eines der ersten Exklusiv-Interviews mit dem damals noch jungen Mastermind geführt. Interessierte Leser finden das aufschlussreiche Zwiegespräch im Mook Magazin No.6. Wer die physische Ausgabe gerade nicht zur Hand hat, kann das Magazin auch als kostenloses PDF downloaden. Ihr findet den entsprechenden Link in unserem Hamburger-Menu unter der Rubrik „Editionen“…
Das Bacchanalia ist selbstverständlich nach den wilden römischen Bacchusfesten benannt. Die frivolen Saufgelage wurden ab dem 2. Jahrhundert v.Chr jährlich auf dem Hügel des römischen Aventins gefeiert und eskalierten nicht selten zu frivolen Orgien. Religionspsychologisch sind die mehrtägigen Bacchanalien als ein rauschhafter Frühlings- und Fruchtbarkeitskult zu verstehen. Dabei wurde sich auch immer gerne verkleidet und enthemmter Mummenschanz betrieben. Obwohl es sich bei den Bacchanalien ursprünglich um Weinfeste handelte, wurden auch immer gerne halluzinogene Pilze und sogar Tollkirschen konsumiert. Hier sehen wir übrigens die First Lady des Mook Culinary Research Teams beim Tête-à-Tête mit Bacchus, dem römischen Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und der Ekstase.
Epizentrum und optisches Highlight im Bacchanalia bilden riesige Säulen aus denen gigantische Larger-than-Life-Skulpturen von Medusa, Pegasus und dem geflügelten Markus-Löwen entwachsen. Die imposanten dreidimensionalen Kunstwerke stammen dabei von niemand geringerem als Damien Hirst, dem polarisierenden Midas der globalen Kunstszene. Nun ist es völlig egal, was man über das umstrittene Universalgenie auch denkt, spätestens seit seiner äußerst kontrovers diskutierten Ausstellung „Treasures from the Wreck of the Unbelievable“ im Palazzo Grassi und der dazu korrespondierenden Mockumentary dürfte selbst seinen schärfsten Kritikern klar sein, dass Damien Hirst etwas von beeindruckenden Skulpturen und dramatischer Inszenierung versteht.
Damien Hirst, der legendäre Turner-Prize-Preisträger und Begründer der Young-British-Artist-Bewegung, hat sich mit seinen epochalen Werken “The Physical Impossibility of Death in the Mind of Someone Living“ und „For the Love of God“ förmlich in das kollektive Bewusstsein einer ganzen Generation gebrannt. Sein provokantes Œuvre verstört und polarisiert dabei wie kaum ein zweites. Es gibt deshalb wirklich niemanden, der keine klare Meinung zum kontroversen Freeze-Erfinder hat. Dabei erzielen seine erstaunlichen Arbeiten regelmäßig geradezu obszön hohe Preise und führen damit natürlich auch immer wieder zu hitzigen Debatten. Mit einem geschätzten Vermögen von weit über einer Milliarde Dollar ist Hirst sogar noch reicher als seine legendär reichen Künstlerkollegen Anish Kapoor, Jeff Koons, Antony Gormley, Takashi Murakami, Gerhard Richter und David Hockney.
Damien Hirst, der geschäftstüchtige NFT-Art-Pionier, hat neben seiner Leidenschaft für Geld und zeitgenössische Kunst auch noch ein großes Faible für die wundervolle Welt der Gastronomie. Dementsprechend finden sich bereits in zahlreichen Restaurants Werke des berühmten Turner-Prize-Preisträgers. Besonders imposant sind dabei eine bremerstadtmusikantenartige Formaldehyd-Installation aus Kalb und Hahn im monothematischen Restaurant Tramshed, das imposante Shark-Tank-Triptychon an der Palms Casino Bar in Las Vegas und natürlich der gigantische Kristall-Pegasus in der Brasserie of Lights. Wer übrigens einen Blick auf den gigantischen Pegasus in der Brasserie of Lights werfen will, findet den entsprechenden Mookular-Bericht wie immer problemlos über die Suchleiste des Mook-Magazin-Blogs.
Ein weiteres Highlight im Bacchanalia sind die großflächigen Wand- und Decken-Murals von Gary Myatt. Der begnadete Trompe-l’œil-Virtuose ist unter anderem auch verantwortlich für die imposanten Wandmalereien in der entzückenden Jardins du Presbourg-Brasserie in Paris und natürlich im superexklusiven Members-only-Club Annabel´s.
Kunstaffinen Mook-Group-Fans dürfte es sicherlich auffallen, dass es sich bei dem imposanten Full-Monty auf der Stirnseite des Bacchanalia um eine Hommage an das berühmte Gemälde “Les Romains de la décadence“ von Thomas Couture handelt. Das Bild gilt als Hauptwerk des begnadeten Antoine-Jean-Gros-Schülers und kann täglich im Musée d’Orsay in Paris bewundert werden. Beim Original fehlt allerdings die Golden Gate Bridge im Hintergrund.
Wie in einem Wimmelbild von Hieronymus Bosch sind im Gemälde zahlreiche kleine Details versteckt. In diesem Teilausschnitt sieht man beispielsweise, wie jemand ein Selfie macht. Auch entdecken aufmerksame Beobachter einen Protagonisten mit einer Apple Watch.
Im Hintergrund sehen wir eine sehr imposante Trompe-l’œil-Wandmalerei von Gary Myatt im superexklusiven Members-only-Club Annabel´s. Der Herr im dunkelblauen Zweireiher ist übrigens der medienscheue CEO der Mook Group.
Martin Brudnizki hat auch im Bacchanalia an alle Details gedacht. Beispielsweise haben die Sockel der zauberhaften Varieté-Leuchten die Form ionischer Säulen.
Wie man unschwer erkennt, trägt der Kellner eine stilechte Tunika und authentische Caligae-Sandalen. Offensichtlich wird im Bacchanalia Themengastronomie noch ernst genommen.
Für Martin Brudnizki sind Böden nicht einfach nur Böden, sondern wichtige architektonische Statements. Jeder, der schon einmal über die smaragdgrün illuminierten Malachit-Fliesen in Ivy Asia stolziert ist, wird diese Tatsache sicherlich nicht bestreiten. Im Bacchanalia wurde allerdings nicht wie üblich Esmeralda-Onyx-Marmor oder Malachit verlegt, sondern thematisch korrektes Mosaik. Den Mookular-Bericht über das Ivy Asia finden interessierte Leser wie üblich problemlos über die Suchleiste des Mook-Magazin-Blogs.
Seit über drei Jahrzehnten reisen wir regelmäßig zu den besten und innovativsten Restaurants der Welt. Durch diese regelmäßigen Foodpeditions konnten wir uns mittlerweile ein fundiertes Wissen über die indische, französische, asiatische, südamerikanische, skandinavische und orientalische Küche aneignen. Nur mit der hochenergetischen Lipid- und High-Carb-Cucina Italiens sind wir bisher nur wenig bis gar nicht vertraut. Allerdings sind wir sehr neugierig und bereit, selbst die exotischsten Speisen für Euch zu degustieren. Hier sehen wir übrigen die als kostenlose Antipasti gereichten Bacchanalia-Oliven.
Natürlich ist Indien das Land der tausend Brote. Allerdings wird offensichtlich auch in Italien gerne Brot gebacken. Die unterschiedlichen Backwaren sind lauwarm und teilweise wirklich köstlich.
Das Olivenöl zum Brot wird stilecht in kleinen Amphoren gereicht. Die vielen kleinen liebevollen Details machen wirklich Freude.
Als nächsten Gang serviert uns der sympathische Kellner ein sogenanntes Vitello tonnato. Das Gericht besteht aus dünnen Kalbfleischscheiben, Kapern und einer Art Thunfisch-Mayonnaise. Erstaunlicherweise macht die exotische Surf-n-Turf-Kombination kulinarisch durchaus einen Sinn.
Die Rigatoni Carbonara werden uns vom sympathischen Kellner als eine Art italienisches Nationalgericht angepriesen. Letztendlich entpuppt sich der italienische Klassiker als ein paar röhrenförmige Nudeln, die in einer Speck-Sahnesauce schwimmen. Da wir bekanntlich absolute Pasta-Laien sind, möchten wir hier kein Urteil über das italienische Heiligtum fällen. Wir bevorzugen allerdings lieber ein paar gut gemachte Mac`n` Cheese. Übrigens ein Guilty-Pleasure, bei dem die Qualität, wie bei kaum einem anderen Gericht, zwischen göttlicher Ambrosia und grauenhafter Fast-Food-Pampe oszillieren kann.
Es gibt im Bacchanalia aber nicht nur exotische Gerichte. Hier sehen wir beispielsweise einen durchaus solide exekutierten Caesar Salad. Nun wissen gut informierte Foodies natürlich, dass es sich dabei strenggenommen nicht um ein italienisches Gericht handelt, sondern um ein mexikanisches. Erfunden wurde der beliebte Crowdpleaser nämlich von Italo-Amerikaner Cesare Cardini in Tijuana. Über das Thema haben wir ja auch schon einmal sehr ausführlich referiert.
Das vom Kellner angepriesene „Braised Veal“ entpuppt sich als eine in Rotwein-Feigen-Sauce geschmorte Hochrippe. Als Sättigungsbeilage reicht das Bacchanalia ein paar zerstoßene Nüsse und Safran-Polenta, ein mächtiger gelber Brei aus Maismehl.
Das auf der Karte als „Roman Flatbread“ ausgewiesene Gericht entpuppt sich als eine Tomaten-Pizza mit ohne Käse. Den Geschmack des Flatbreads kann man übrigens perfekt an der Optik ablesen.
Sogar Desserts sind im Bacchanalia erhältlich. Hier sehen wir beispielsweise ein sogenanntes Tiramisu. Die exotische Süßspeise besteht aus Löffelbiskuit, Doppelrahm-Frischkäse, Eigelb, Zucker, Amaretto und Kakaopulver. Man kann sich vorstellen, wie diese toxische Mischung schmeckt.
Natürlich ist das Bacchanalia genauso wenig Kaiser Neros rotierender Speisesaal auf der Spitze der Domus Aurea, wie Dubai das mythische Zweistromland Mesopotamien. Das Bacchanalia überzeugt aber durch opulenten Kulissenbau und eine sicherlich köstlich italienische Küche. Auch muss man neidlos anerkennen, dass Martin Burdinski das Thema dekadentes Italien-Glamour-Dining wirklich auf die Spitze getrieben hat. Trotzdem sind uns persönlich Restaurants wie das Annabel`s, Sexy Fish, Ivy Asia und die Brasserie of Light thematisch und kulinarisch wesentlich näher. Dementsprechend wird das Bacchanalia sicherlich nicht unser neues Stammlokal. Wer aber Pizza, Pasta und das süße italienische Dolce Vita liebt, sollte unbedingt einmal im Bacchanalia vorbeischauen.