Über Jeremy King und Chris Corbin muss man sicherlich nicht viele Worte verlieren. Immerhin waren die beiden lässigen Gentlemen jahrzehntelang das gastronomische Power-Couple Londons. Aus dem Think-Tank der beiden eleganten Trailblazer stammen so unfassbar ikonische Konzepte wie das Delaunay, Soutine, Colbert, Bellanger und natürlich die grandiose Brasserie Zédel. Speziell ihr Flagship-Outlet Wolseley gilt noch heute unter Insidern als das natürliche Habitat von so schillernden Persönlichkeiten wie Melanie Clore, Charles Saatchi, Tracey Emin, Tyne O`Connell, Damien Hirst, Daphne Guinness und Nigella Lawson. Bedauerlicherweise geriet das riesige Corbin & King Imperium in der Corona-Krise ins Straucheln und musste letztendlich Konkurs anmelden. In einer vom Konkursverwalter angesetzten Bieterschlacht unterlagen Corbin und King ihrem ehemaligen Shareholder William Heinecke. Angeblich soll der sagenumrankte Milliardär letztendlich über 60 Millionen GBP für das legendäre Restaurant-Konglomerat bezahlt haben. Leider war damit klar, dass Jeremy King und Chris Corbin ihr Firmenimperium verloren hatten. Viele erschütterte King & Corbin-Fans vermuteten daraufhin hin, dass damit auch ihr groß angekündigtes Seafood-Restaurant MANZI’S für immer „gestorben“ sei. Glücklicherweise hat William Heinecke beschlossen, die Pläne von Jeremy King und Chris Corbin fortzuführen und das MANZI’S doch noch zu eröffnen. Nun hat die sehnsüchtig erwartete Seafood-Kathedrale endlich ihre Pforten geöffnet. Damit war natürlich klar, dass wir den neuen Place-to-be sofort für Euch unter das gestrenge Mookular nehmen mussten…
Das neue MANZI’S ist nach dem ehemaligen Fischrestaurant MANZI’S am Leicester Square benannt. Das Original MANZI’S öffnete bereits im Jahr 1950 seine Pforten und entwickelte sich schnell zu einer echten Institution im quirligen Londoner Szeneviertel Soho. Leider musste der Klassiker Anfang der 2000er Jahre aus uns unbekannten Gründen schließen. Das neue MANZI’S soll nun eine Hommage an das legendäre Original sein, zumindest in Bezug auf die Küchenrichtung. Da praktisch keine Aufnahmen der historischen Location existieren, haben sich die mit dem Ausbau beauftragten Fabled Studios dazu entschlossen, eine vollkommen eigene Designsprache zu entwickeln.
Wie bereits erwähnt, sind die legendären Fabled Studios für das maritime Glamour-Design des MANZI’S verantwortlich. Über die außergewöhnliche Kreativschmiede müssen wir aufmerksamen Lesern des Mook Magazins sicherlich nicht mehr viel erzählen. Immerhin gehören zum epischen Œuvre der Fabled Studios so grandiose One-of-a-kind-Locations wie das MiMi Mei Fair, Dinner by Heston Blumenthal, Jamavar, The Hind’s Head, Noble Rot und natürlich das zauberhafte Bombay Bustle!
Speziell mit dem Bombay Bustle haben die Fabled Studios wirklich ein absolutes Bravourstück abgelegt. Das gesamte Lokal ist eine einzige, wundervolle Reminiszenz an das kinematographische Œuvre von Wes Anderson. Die komplette Bombay-Bustle-Szenerie zitiert mit ihrer pastelligen Farbenwelt geradezu plakativ cineastische Meisterwerke wie Moonrise Kingdom, Grand Budapest Hotel, The Life Aquatic with Steve Zissou, The Royal Tenenbaums und natürlich Darjeeling Limited. Wer unseren Mookular-Bericht über das zauberhafte Bombay Bustle noch nicht kennt, sollte sich auch diesen Artikel im Anschluss unbedingt durchlesen. Natürlich findet Ihr auch diesen Mookular-Bericht wieder problemlos über die Suchleiste unseres Mook-Magazin-Blogs.
Wie das geübte Auge unschwer erkennt, haben die Fabled Studios auch im MANZI´S wieder perfekt abgeliefert. Wenig verwunderlich, dass viele Experten die innovative Kreativschmiede mittlerweile in einem Atemzug mit Martin Brudnizki und den wiedererstarkten David Collins Studios nennen.
An der Stirnseite des länglichen Refektoriums befindet sich der sogenannte Poseidon-Table. Warum der Platz nach dem griechischen Gott des Meeres benannt wurde, müssen wir an dieser Stelle sicherlich nicht näher erläutern.
Wohin das kundige Auge auch schweift, überall entdeckt man liebevolle Details, edelste Materialen und amüsante Design-Ideen. Die imposante Bar wird beispielsweise von vier barbusigen Meerjungfrauen gehalten. Die Fabled Studios haben wirklich verstanden, wie glamouröse Seafood-Dining funktioniert.
Man muss im MANZI’S wirklich auf jedes Detail achten. Die biomorphen Korallenmuster auf den faszinierenden Bodenfliesen sind beispielsweise eine unverkennbare Reminiszenz an die abstrakten Gouaches découpées von Henri Matisse. Glücklicherweise haben die Fabled Studios dafür gesorgt, dass das MANZI’S ein geradezu perfektes Refugium geworden ist, um über Matisse und die von ihm mitinitiierte Fauvismus-Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts zu parlieren.
Das Treppenhaus zum ersten Stock wurde mit einem immersiven 180-Grad-Wandgemälde verziert. Das dramatische Mural wurde ganz offensichtlich vom Roman „Der alte Mann und das Meer“ von Ernest Hemingway inspiriert und zeigt den epischen Kampf zwischen dem alten kubanischen Fischer Santiago und seinem maritimen Antagonisten, einem gigantischen blauen Marlin.
Die smart kuratierte Speisekarte liest sich wie ein grandioses Best-of-Sammelsurium nostalgischer Continental-Cuisine-Klassiker. Es gibt beispielsweise Gerichte wie Deviled Eggs, Consommé Celestine, Shrimp Cocktails, Lobster Roll und einen Wedge Salad. Alles lässige Klassiker, die man in Deutschland praktisch auf keiner Karte findet – außer natürlich in den Etablissements der Mook Group!
Der köstliche Shrimp-Cocktail wird in einer kostbaren Kraken-Bowl serviert. Ein toller Effekt, den wir als leidenschaftliche Anhänger des Washoku-Prinzips natürlich sehr wohlwollend goutieren. Aufmerksame Mook-Group-Fans werden sich sicherlich noch lebhaft daran erinnern, dass wir im KRAZY KRAKEN genau dieselben Kraken-Schalen verwendet haben.
Hier sehen wir einen klassischen Lobster Thermidor. Der beliebte Crowdpleaser wurde erstmals im Jahr 1894 im berühmten Pariser Restaurant „Café de Paris“ serviert und erhielt seinen Namen von dem damals sehr populären Theaterstück „Thermidor“. Für die Zubereitung eines Lobster Thermidor wird der Hummer gekocht, das Fleisch aus der Schale genommen und mit einer Mischung aus Eigelb, Senf, Kräutern, Gewürzen und einer Bechamelsauce vermengt. Anschließend wird die gesamte Masse wieder in die Hummerschale gefüllt und mit Käse gratiniert. Ein komplexes Verfahren, das das MANZI’S schon kurz nach der Eröffnung perfekt beherrschte.
Wir sind in London und müssen deshalb natürlich auch eine Portion Fish & Chips für Euch degustieren. Die Variante im MANZI`S erinnert von ihrer schlanken Form und der Art der Panade aber eher an klassische französische Goujonnettes. Insgesamt ist das Gericht aber solide exekutiert und durchaus lecker. Wer allerdings den in luftig espumiertem Bierteig frittierten Backfisch im FRANZISKA vergöttert, muss nicht zwingend auch von den Fish & Chips im MANZI´S begeistert sein.
Natürlich dürfen auf der Speisekarte keine Moules Frites fehlen. Im MANZI’S kann man dabei zwischen drei verschiedenen Zubereitungsarten wählen: Marinière Classique, Basquaise oder Aromatique, einer verwegenen Kreation aus Kokosmilch, Ingwer und Zitronengras. Wir entscheiden uns für die Variante „Basquaise“ mit pikanter Chorizo und sind mit unserer Wahl durchaus zufrieden.
Das klassische Beef Wellington besteht normalerweise aus einem Rinderfilet, das mit einer feinen Schicht aus Pilz-Duxelles umhüllt und anschließend in einem Blätterteigmantel goldgelb gebacken wird. Das MANZI’S hatte nun die grandiose Think-out-of-the-Box-Idee, das klassische Turf-Sujet in eine maritime Surf-Variante zu transformieren. Dafür ersetzt Christian Turner, der charmante Head-Chef des MANZI`S, das Rinderfilet mit einem saftigen Seeteufel und die klassische Pilz-Duxelles mit leicht blanchiertem Spinat.
Das MANZI’S ist ein Restaurant ganz nach dem Gusto der Mook-Redaktion. Hier stimmt wirklich alles. Trotzdem hat uns der Besuch sehr wehmütig gestimmt, weil wir wieder einmal schmerzlich daran erinnert wurden, dass wir mit dem KRAZY KRAKEN auch schon einmal versucht haben, unserer geliebten Heimatstadt Frankfurt ein international relevantes Fisch- und Meeresfrüchte-Restaurant zu schenken. Leider hatte uns die Stadtverwaltung damals einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Interessierte Leser, die mehr darüber erfahren möchten, warum wir das KRAZY KRAKEN schon kurz nach der erfolgreichen Eröffnung wieder schließen mussten und warum die Schließung nicht nur für ein paar leidenschaftliche Meeresfrüchteliebhaber eine schreckliche Tragödie war, sondern auch für die gesamte Stadt Frankfurt, sollten nicht zögern, den hier angehängten Link zu aktivieren… hier klicken!