Jeden Abend füllt sich die wunderschöne Brasserie mit den gut gelaunten Lobbyisten und Abgeordneten der EU. Die Stimmung ist entspannt und ausgesprochen ausgelassen. Die illustre Gästeschar scheint die goldenen Zeiten der EU in vollen Zügen zu genießen. Man spürt förmlich physisch die Abwesenheit jeglicher Existenzangst. Was sich übrigens auch unschwer am respektvollen Verzehrverhalten der spendablen Gäste ablesen lässt. Der Wirt der imposanten Brasserie ist fast so beneidenswert wie seine eigene Klientel. Die EU Politiker und die Spindoktoren der Agrarkonzerne lieben ganz offensichtlich die intime Atmosphäre der Belga Queen. Hier kann man noch völlig ungestört seinen vertraulichen Geschäften nachgehen. Die legendäre Brasserie weist auf ihrer Webseite sogar explizit darauf hin, dass es sich bei der Belga Queen nicht um ein Elbow-to-Elbow-Restaurant handelt. Die Belga Queen ist einfach das perfekte Refugium, um bei Kaviar und Champagner über Saatgutverordnungen und genmanipulierten Mais zu parlieren.
Das imposante Refektorium der Belga Queen diente im 18. Jahrhundert dem Hôtel de la Poste als Lobby und später der Crédit du Nord Bank als repräsentative Schalterhalle. Wie man unschwer erkennt, ist der heutige Speisesaal noch immer ganz im Stil eines hellenistischen Peristyls konzipiert. Getragen wird das mit Bleiglas überspannte Atrium von einem Spalier ionischer Marmorsäulen. Der umlaufende Fries ist geschmückt mit zahlreichen Reliefen von grimmig dreinschauenden Hippogryphen. Die Kolonnaden wurden ebenfalls als Gastraum erschlossen und dienen nun vornehmlich größeren Gruppen als Hort der kulinarischen Ausschweifung. Die halb einsehbare Küche ist im hinteren Opisthodom untergebracht und serviert neben den Klassikern der Belgischen und Französischen Brasserieküche auch alle Arten von Meeresfrüchten.
Die Belga Queen ist auch mit einigen sehr erstaunlichen Kunstwerken ausgestattet. Besonders auffällig ist eine lebensgroße silberne Pferdeskulptur, die über und über mit den Namen bekannter Belgier übersät ist. Hier erfahren Belgien-Laien, dass nicht nur Peter Paul Rubens und Pieter Bruegel aus Belgien stammen, sondern auch der berühmte Bauhaus Architekt Henry van de Velde und der Surrealist René Magritte. War es nicht auch Magritte, der einst über ein Pferd behauptete: Ceci n’est pas un Cheval?
Sie agieren bescheiden im Hintergrund. Kaum jemand kennt wirklich ihre Namen. Nichtsdestotrotz sind sie unermüdlich für uns im Einsatz. Sie versuchen uns täglich vor Dingen wie bäuerlich erzeugtem Olivenöl und krummen Gurken zu retten. Sie kämpfen leidenschaftlich dafür, dass unsere Kinder nicht unter den schrecklichen Folgen der natürlichen Artenvielfalt leiden müssen. Sie sorgen dafür, dass die riesigen Agrarkonzerne auch weiterhin völlig unbehelligt ihre wichtigen Forschungsprojekte für uns realisieren können. Sie sind unsere EU Vertreter. Dass eine solche heroische Aufgabe hungrig macht, versteht sich natürlich fast von selbst. Die Belga Queen hat ganz den Markt bravourös gelesen und ihr Sortiment perfekt auf die Bedürfnisse der Brüssler Protagonisten abgestimmt. Wir haben die Welt zwar heute noch nicht gerettet, möchten uns aber auch einmal wie echte Eurokraten fühlen. Aus diesem Grund starten wir unsere Recherche standesgemäß im üblichen EU-Style.
Eine lütte Meeresfrüchteplatte ist der ideale Snack, um nach einem anstrengenden Tag im Parlament wieder zu Kräften zu kommen. Obwohl, wenn man Elvira Drobinski-Weiß, der Bundestagsfraktionsprecherin für Ernährung und Verbraucherschutz Glauben schenken darf, ist aktuell das EU Parlamentarierleben doch nicht so mühselig wie wir Laien immer glauben. Heutzutage reicht es ja oft schon aus, einfach mal an der richtigen Stelle die Seele baumeln zu lassen. Jeder, der aufmerksam das Prozedere der Genmais-Zulassung verfolgt hat, wird Frau Drobinski-Weiß da sicherlich Recht geben wollen.
Für den normalsterblichen EU Bürger ist der Hummer nicht nur eine köstliche Delikatesse, sondern auch ein Symbol für Luxus. In Straßburg und Brüssel hingegen gilt der Lobster als das tägliche Brot der Eurokraten. Ein Gast an der Bar der Belga Queen erzählte uns, dass man in Brüssel den Hummer deshalb auch gerne als „The Chicken of the Sea“ bezeichnet. Wir erinnern uns sicherlich auch noch alle lebhaft an die aufschlussreiche Berichterstattung über Sarah Wagenknechts fulminante Lobster-Gelage im legendären „Aux Armes“. Glücklicherweise haben wir nicht versehentlich heimlich unsere Bilder gelöscht und können Euch somit einen eindruckvollen virtuellen Beweis unserer mühseligen Recherchen liefern. An dieser Stelle möchten wir noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir den Verzehr von Hummer und Austern keinesfalls als verwerflich empfinden.
Während sich die illustre Gästeschar vornehmlich in Brioni, Kiton und Zegna hüllt, muss das Servicepersonal der Belga Queen bizarr anmutende Schnürschürzen tragen. Bei der konservativen protestantischen Glaubensgemeinschaft der Amish-People, gelten Knöpfe als hochmütig. Vielleicht ist der Betreiber der Belga Queen ja ein Anhänger der reformatorischen Täuferbewegung? Ein anderer Grund will uns jedenfalls beim besten Willen nicht einfallen. Warum sollte man sonst seine Brigade in Klaus-Nomi-Klone transformieren wollen? Während wir weiter demütig an unseren Hummerscheren knabbern, fragen wir uns ernsthaft, was wohl die Mitarbeiter der Mook Group von solchen adretten Schürzen halten würden?
Coquilles St Jacques, réduction de Duvel au beurre frais d ́Ardennes. Müßig zu erwähnen, dass die Muscheln von allererster Güte sind. EU Politiker sind extrem verwöhnt und legen natürlich Wert auf beste Produkte.
Der offene Ravioli ist mit King Crab und Trüffel gefüllt. Die knusprigen Meerrettich-Chips verleihen der exklusiven Kreation noch einen pikanten Akzent. Offensichtlich stimmt in der Belga Queen nicht nur das spektakuläre Ambiente. Langsam verstehen wir, warum sich die wunderbare Brasserie solcher Beliebtheit erfreut.
Die köstlichen Shirmps-Kroketten sind ein Klassiker der belgischen Küche und werden in der Belga Queen mit frittierter Petersilie und einer halben Zitrone serviert.
Auch Lachs-Lover kommen auf ihre Kosten.
Aubergine farcie d’autres légumes gratinés sur coulis de tomates aux herbes fraîches. Manchmal sagen Bilder mehr als tausend Worte. Das Gericht schmeckt exakt wie man es anhand der Optik vermuten würde.
Eine solche sublime Tellerarchitektur ist uns auch schon lange nicht mehr untergekommen. Wie wir schon an den extravaganten Schürzen der Kellner bemerkt haben, ist der Betreiber ganz offensichtlich ein großer Eleve der New-Wave-Bewegung. Auch der köstliche Kabeljau mit Nordsee-Krabben wird stringent im authentischen 80er Jahre Layout angerichtet. Auch sonst strotzt die Kreation nur so von subtilen kulinarischen Zitaten. Beispielweise darf der rote Tomatenspritzer wohl als eindeutige Reminiszenz an das legendäre „Roadkill“ von Homaru Cantu gewertete werden. Für jeden forensisch begabten Gourmet ist der Teller ein wahres Füllhorn an unterschwelligen Hinweisen und kryptischen Metabotschaften.
Die Seezunge ist einfach köstlich. Hier trifft handwerkliche Perfektion auf exzellente Produktqualität. Das Gericht erreicht fast schon das Niveau der legendären Sole Meuniere im „Mon amie Maxi“. Die solide Produktküche der Belga Queen konnte uns ohnehin durchweg überzeugen.
Andere Länder, andere Fritten. Die brüssler Anti-Allumettes gelten als die belgische Delikatesse schlechthin und dürfen natürlich zu keiner anständigen Mahlzeit fehlen. Auch das Mook Culinary Research Team findet schnell gefallen an den extra dicken Kartoffelstäben.
In Brüssel gibt es ja bekanntlich ständig etwas zu feiern. Aus diesem Grund verfügt die Belga Queen im Souterrain auch noch über ein exklusives Nachtclub-Konzept. Wie man so hört, lassen es hier die Eurokraten so richtig krachen. Der Eingang zum Club führt übrigens durch die Safetür der ehemaligen Crédit du Nord Bank. Wir finden ein sehr passendes Entree.
Interessant, hier also lassen die Lobbyisten Nacht für Nacht die Puppen tanzen. Noch herrscht die Ruhe vor dem Sturm, doch bald werden hier wohl die Champagner-Korken knallen.
Zum Schluss werfen wir noch einen kurzen Blick in die berühmten gläsernen Toiletten der Belga Queen. Ihr denkt jetzt sicherlich, dass EU Politiker grundsätzlich nichts zu verbergen haben und deshalb Ihre Geschäfte gerne in totaler Transparenz erledigen. Leider müssen wir Euch an dieser Stelle enttäuschen. Bei der durchsichtigen Scheibe handelt es sich um elektrochromes Glas, das sich beim Anlegen einer kleinen Spannung sofort milchig verfärbt. Nach dem Verriegeln der Tür, können deshalb neugierige Zuschauer nur noch maximal eine schemenhafte Silhouette erahnen. Viele werden dieses System auch aus der Führerkabine des ICE-Zuges kennen.