Chigwell ist wohl der von Mayfair am weitesten entfernte „Stadtteil“ von London. Also sicherlich kein Ort, wohin man schnell mal mit dem Black Cab zum Essen hinfährt. Allerdings befindet sich dort trotzdem ein mittlerweile sehr bekannter Celebrity-Hotspot. Dass das türkische Ocakbasi-Restaurant „Sheesh“ regelmäßig von Prominenten wie Russell Crowe, Tyson Fury und Ray Winston besucht wird, liegt nicht nur am köstlichen Essen und der skurrilen Location, sondern auch an den sehr extravaganten Gastgebern, dem Vater-Sohn-Gespann der Familie Hunt. Der Vater nennt sich auf seinen Social-Media-Kanälen selbst „Kingsheesh123“. Er hat eine Glatze, ist immer braun gebrannt, tätowiert, trägt gerne extravagante Dandy-Anzüge, Mäntel mit wuchtigem Pelzkragen, Fedora-Hüte und bestickte Tassel-Loafer aus Samt ohne Socken. Insgesamt sieht er aus wie ein stylischer Kingpin aus einem Guy Ritchie Film. Sein Sohn hat hingegen nicht nur einen Körper wie ein griechischer Gott, sondern sieht mit seinen grau gelockten Haaren und dem voluminösen Bart auch tatsächlich aus wie Zeus persönlich. Er hüllt seinen massiven Körper ausschließlich in enge, extrem körperbetonte schwarze T-Shirts und schwarz changierende Combat-Hosen. Nun haben Dylan und Colin Hunt auch noch beschlossen, das mondäne Londoner Szeneviertel Mayfair mit ihrem erstaunlichen Schisch-Kebab-Konzept „Sheesh“ zu beglücken. Damit war natürlich sofort klar, dass wir die sehr spezielle Location sofort für Euch unter das gestrenge Mookular nehmen mussten….
Wohin das Auge auch schweift, überall sieht man verschnörkelte schmiedeeiserne Möbel, Fliesen aus hellem Travertin, rustikale Kronleuchter, riesige Amphoren, großformatige Spiegel, absonderliche Wandreliefs und eklektische Skulpturen und absurde Artefakte. Das neue zweistöckige „Sheesh“ sieht aus, als hätte ein russischer Oligarch den Innenarchitekten von Donald Trump beauftragt, die exklusive Mayfair-Location in ein skurriles gotisch-römisches Refektorium zu verwandeln.
So absurd es auch klingen mag, uns erinnerte das „Sheesh“ tatsächlich ein wenig an das Vestibül des Croft Manors aus der bekannten Videospielreihe Tomb Raider. Speziell das Bild mit der Lara-Croft-Look-alike-Hostess verstärkte diesen Eindruck noch. Das Original „Sheesh“ in Chigwell befindet sich übrigens in einem wunderschönen freistehenden Mock-Tudor-Gebäude, das von außen im Prinzip aussieht wie eine miniaturisierte Version des legendären Liberty Department-Store am Beginn der beliebten Shoppingmeile Carnaby Street. Von innen erinnert das „Sheesh“ in Chigwell dagegen eher an den eklektischen Stil des legendäre Bern’s Steakhouse in Tampa.
Das extravagante Interieur ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Allerdings wissen wir ja spätestens seit der extrem erfolgreichen Eröffnung des Bacchanalia, dass es in London durchaus Fans von operettenhaft gestalteten Kulissenbauten gibt. Auch ist es so, dass das Restaurant speziell am Abend relativ schummrig illuminiert ist. Dann entfaltet die kuriose Location durchaus einen bizarren Charme.
Kleiner Fun-Fact am Rande: Die Stühle sind so schwer, dass wir am Anfang dachten, dass sie am Boden verschraubt wären.
Durch die großen bodentief verglasten Panoramascheiben des „Sheesh“ hat man einen perfekten Blick auf den Eingang der legendären All-Day-Brasserie “The Wolseley“. Es hat schon fast etwas vom Daoistischen Yin-und-Yang-Prinzip, dass sich genau auf der gegenüberliegenden Straßenseite das „Sheesh“ befindet. Nur gut, dass das „Sheesh“ ein perfektes Refugium ist, um kontrovers über polarisierende Architektur zu diskutieren.
Die Kultur des türkischen Ocakbasi-Grillens ist tief in der Geschichte und den Traditionen des Landes verwurzelt. Das archaische Ritual hat sich über die Jahrhunderte immer weiterentwickelt und ist zu einem integralen Bestandteil der türkischen Küche geworden. Saftige Fleischstücke werden über glühender Holzkohle kunstvoll gegrillt, während traditionelle Gewürze den Duft der Vergangenheit heraufbeschwören. Das Ocakbasi-Grillen ist jedoch mehr als nur eine profane Zubereiten von Essen; es ist ein soziales Event. Familie und Freunde versammeln sich um den Grill, um gemeinsam zu tratschen, zu lachen und das köstliche Essen zu genießen. In einem Ocakbasi-Restaurant trifft türkische Gastfreundschaft auf traditionell kulinarische Raffinesse.
Als Vorspeise reicht uns das „Sheesh“ einen Acılı Ezme-Salat. Der Salat ist mehr Dip als Salat und besteht aus eingedicktem Granatapfelsaft, Tomaten, Zwiebeln, Petersilie, Zitronensaft, Olivenöl, Chili und etwas Sumach, dem legendären roten Tischgewürz. Am besten schmeckt das kunterbunte Potpourri mit Bazlama, dem berühmten türkischen Pfannenbrot. Wir essen Ezme relativ häufig und können deshalb besten Gewissens sagen, dass der Acılı Ezme-Salat im „Sheesh“ einfach – hands down – eine 10 von 10 ist!
Die Sigara-Böregi sind etwas dicker als gewohnt, üppig mit Käse gefüllt und leicht mit Panko paniert. Die saftigen Zigarren-Börek sind sicherlich keine verkopft konstruierten Gourmethäppchen, dafür schmecken die türkischen Comfort-Food-Klassiker aber absolut köstlich. Auch die Idee, die kleinen „Zigarren“ mit grobem Panko zu bestäuben, ist absolut großartig. Lediglich beim Dip, können wir dem „Sheesh“ nicht in den Gedankenpalast folgen. Trotzdem sprechen wir auch hier wieder gerne eine absolute Kaufempfehlung aus!
Nun kommen wir zur Hauptattraktion im „Sheesh“: den Schisch-Kebab. Das köstliche Hühnerfleisch hält die perfekte Balance zwischen angenehmer Duktilität und fast schon artifizieller Zartheit. Die orientalische Gewürzmarinade des Chicken-Sheesh korrespondiert darüber hinaus auch noch perfekt mit den subtilen Rauch-Akkorden des Ocakbasi-Grills. Das „Sheesh“ versteht sich offensichtlich meisterlich auf die komplexe Zubereitung von Schisch-Kebab.
Unglaublich, aber wahr: Das Lamm-Schisch-Kebab schmeckt uns noch einen Tick besser, weil das „Sheesh“ hier noch geschickter die stickstoffhaltigen Melanoidine der Maillard-Reaktion nutzt, um das saftige Lammfleisch mit dem typischen rauchigen Ocakbasi-Aroma zu parfümieren. Auch ist das Lammfleisch natürlich von sich aus schon wesentlich aromatischer. Deshalb vergeben wir hier gerne wieder 10 von 10 möglichen Mookpunkten.
Ein letzter Blick auf die Fassade des „Sheesh“…