Das Münchner Zwei-Sterne-Restaurant Tantris war die ehemalige Wirkungsstätte unseres „Mon amie Maxi“ Chefkochs Alexander Roisch. Über fünf Jahre arbeitete er Seite an Seite mit Hans Haas, einem der renommiertesten Köche Deutschlands und direkter Nachfolger von Eckart Witzigmann und Heinz Winkler. Ein guter Grund, das Tantris einmal für Euch etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wir plauderten lange und angeregt mit Hans Haas. Er erzählte uns unter anderem von der exzellenten Zusammenarbeit mit Herrn Roisch. Auch versprach er uns, demnächst einmal nach Frankfurt zu kommen, um persönlich das „Mon amie Maxi“ in Augenschein zu nehmen.
Das Tantris ist sicherlich architektonisch das aufregendste Sternerestaurant in ganz Deutschland. Architekt Justus Dahinden ist ein großer Anhänger der Archigram Gruppe, dem britischen Pendant zur amerikanischen Googie Populuxe Bewegung. Dahinden studierte auch „das Gesetz der Drei“ und war Eleve der „Philosophie der Schräge“. Darüber hinaus beschäftigte er sich auch intensiv mit den großen japanischen Metabolisten. Der Schweizer Justus Dahinden gilt auch deshalb für viele als eine Art europäischer John Lautner. Die eifrigen RARE Leser unter Euch wissen ja schon seit langem, dass John Lautner zu den absoluten Favoriten der Mook Group zählt. Dementsprechend begeistert ist das Mook Culinary-Research-Team natürlich auch von der utopischen Avantgarde-Architektur des Tantris.
Vor 40 Jahren eröffnete das Tantris und war damit die Geburtsstätte des Fine-Dinings. Hier wurde erstmalig in Deutschland um Sterne gekocht. Genau wie wir die Pioniere der Steakhouse Kultur in Deutschland waren, haben auch Initiator Eichbauer und sein damals noch junger Chefkoch Eckart Witzigmann eine echte Vision gehabt.
Der Name „Tantris“ bedeutet im Buddhismus „Suche nach Vollkommenheit“. Was das Logo für eine Bedeutung hat konnte uns allerdings niemand der Mitarbeiter erschöpfend erklären. In dieser spannenden Angelegenheit müssen wir wohl demnächst einmal Robert Langdon konsultieren.
Hier sehen wir die Lounge des Tantris. Eigentlich fehlt hier nur noch Ernst Stavro Blofeld mit seiner obligatorischen Perserkatze. Man könnte fast meinen, das SPECTRE HQ wäre Vorbild für das Ambiente des Tantris gewesen.
Man beachte bitte auch mein supercooles Manchester Cord-Sakko in perfektem Tantrisorange. Mehr Preppy geht einfach nicht. Wie ein Chamäleon verschmelze ich perfekt mit der psychedelischen Kulisse des Tantris. Auch stellt sich hier natürlich die Frage, ob Herr Ladjmi mich in diesem Augenblick überhaupt wahrnehmen kann.
Welch groteske Duplizität der Farben. Ob das wohl ein Zufall ist? Übrigens, für alle die sich wundern, warum ich selbst nie auf den Bildern erscheine – da unser Budget sehr limitiert ist, muss ich auch immer selbst als Kamerakind fungieren. Es ist deshalb physikalisch völlig unmöglich, mich auch noch selbst abzulichten. Teilbereiche meines Körpers gehen aber schon.
Ihr denkt jetzt sicherlich das Gleiche wie wir: Die hyperbolische Helix kann doch kein Zufall sein oder ist Dahinden etwa ein Fan der NIИ? Wir beginnen wieder einmal über Halo 8 zu philosophieren und ergötzen uns an der betörenden Farbwelt des Tantris. Was für eine schöne neue Welt. Ob Aldous Huxley sich so die Zukunft vorgestellt hat? Wir fühlen uns jedenfalls wie Alpha-Plus und genießen das gereichte Soma. So kann man seine Mittage gut verbringen.
Die asiatisch anmutenden Gargoyles tragen die mit orangefarbenem Flokati bezogene Deckenkonstruktion. Die phantasievollen Beton-Skulpturen stammen übrigens vom Schweizer Künstler Bruno Weber.
Hier ein altes Staff Foto. Unser Chefkoch Alexander Roisch ist übrigens der zweite von links.
Das köstliche Amuse-Bouche. Panko Aal mit Senfgurken. Einen solchen Küchengruß lassen wir uns natürlich sehr gerne gefallen.
Auch das schaumige Kürbissüppchen begeisterte die Mook Redaktion restlos.
Die sautierten Kaisergranten mit marinierten Steinpilzen. Hier beginnt der fulminante Reigen der absoluten Spitzenprodukte. Selten durfte das Mook Team eine solch perfekte Langoustine degustieren.
Lauwarmer Huche mit Apfel, Selleriepüree und Holunderblütenfond. Der Huche entpuppt sich als der Zenit des ohnehin schon brillanten Menüs. Der Fisch ist auf Sekundenbruchteile genau auf den Punkt gegart. Auch der wunderbar elegante Holunderblütenfond korrespondiert phantastisch mit der Konsistenz des Selleriepürees und emulgiert auf den Papillen zu einem wahrhaft sublimen Ambrosia. Das fruchtige Apfel-Concassée finalisiert die Komposition und ergänzt das ganze Gericht noch um einen geradezu furiosen Frische-Accord. Hier versteht einer sein Handwerk. Der Huchen (Donaulachs) ist übrigens ein extrem seltener und überaus delikater Süßwasserfisch. Er besiedelt vornehmlich die Donau und ihre zahlreichen Nebenflüsse. Man findet ihn leider nur noch sehr selten auf Speisekarten. Er hat einen langgestreckten, im Querschnitt fast runden Körper. Auf dem rotbraunen Rücken befinden sich zahlreiche dunkle Flecken in der Form eines X oder eines Halbmondes. Kleinere Fische ernähren sich von Larven der Wasserinsekten oder von ins Wasser gefallenen Insekten, die größeren Exemplare sind Raubfische und jagen vor allem Fische, aber auch andere kleine Wirbeltiere, wie im Wasser schwimmende Mäuse oder Entenküken. Im Durchschnitt wird dieser Fisch zwischen 110 und 130 cm lang bei einem Gewicht von 10–30 Kilogramm.
Herr Ladjimi und der Huche.
Steinbutt gefüllt mit Ei und weißen Trüffel. Auch hier steht die Küche im Tantris wieder im harten Kontrast zur avantgardistischen Architektur eines Justus Dahinden. Hans Haas zelebriert eine eher konservative Produktküche, gepaart mit präzisen Garzeiten, grundsolider Küchentechnik und bewährtem Aromenspiel. Es ist mal wieder schön, Essen anstatt Landschaften auf dem Teller serviert zu bekommen. Der Fisch ist als Fisch zu erkennen. Der Trüffel kommt nicht in dreierlei Textur und das Ei stammt vom einem echten lebenden Huhn und wurde nicht einmal sphärisiert. Die Küche von Hans Haas ist einfach erfrischend antiquiert. Manchmal sollte Essen einfach nur lecker sein. Das Mook Culinary-Research-Team ist jedenfalls sehr angetan. Vielleicht wird „lecker“ ja der nächste crazy Trend?
Die konfierte Gockelbrust mit Périgord Trüffeljus und Gänsestopfleber. Mehr gibt es an dieser Stelle nicht zu sagen.
Medallion vom Rehrücken mit glaciertem Chicorée. Auch hier gibt es kein überflüssiges Schischi, sondern nur handwerklich perfekte und ehrliche Produktküche. Herr Haas beherrscht auch hier wieder virtuos die Kunst der sublimen Aromen und filigranen Texturen. Viele Feinschmecker rätseln schon seit langem, warum Hans Haas noch immer nicht seinen dritten Stern erhalten hat. Wir sind jedenfalls vom Gesamterlebnis Tantris sehr begeistert und vergeben die Höchstnote Mookstyle. Auch verstehen wir nun wesentlich besser, warum es Herrn Roisch solange bei Herrn Haas gehalten hat.
Dessert kann der Herr also auch. Hier sehen wir das köstlich Karamellsoufflé mit Quitten.
Der Garten ist im Sommer sicherlich ein lauschiges Plätzchen.
Auch an eine Feuerstelle wurde gedacht.
Gehobene Gastronomie ist in Deutschland leider oftmals ein Verlustgeschäft. Es gibt in Deutschland kaum einen mehrsternigen Solitär. Fast alle gehobenen Restaurants werden in irgendeiner Weise gesponsert oder hängen am Tropf eines Hotels. In Ländern wie den USA und Frankreich besteht einfach eine völlig andere Bereitschaft, für hochwertige Lebensmittel einen angemessenen Preis zu zahlen. Der Tantris Betreiber, Gourmet und Bauunternehmer Fritz Eichbauer hat einmal gesagt: Ich habe die Verluste unterschätzt. Von dem Geld, das ich ins „Tantris“ gesteckt habe, hätte ich auch ein Schloss kaufen können. Aber wo hätte ich dann gegessen? In intimer Runde wandelt Eichbauer den Satz angeblich gerne ein wenig ab: Andere Bauunternehmer leisten sich Prostituierte, ich mir das Lokal. Hier bleibt uns nur eines zu sagen: Vielen Dank, Herr Eichbauer!