Kürzlich fragte uns ein Gast, warum wir uns eigentlich immer über den Staat beklagen. Immerhin habe er uns durch großzügige Corona-Hilfen und einen subventionierten Mehrwertsteuersatz sehr gut durch die Corona-Krise gebracht. Dazu ist zu sagen, dass eine im europäischen Kontext faire Besteuerung natürlich keine Subvention ist, sondern lediglich eine im europäischen Kontext faire Besteuerung. Außerdem waren die Corona-Hilfen natürlich keine großzügigen Almosen der Regierung, sondern geschuldete Kompensationszahlungen. Wenn die Regierung ein selektives Berufsverbot für einige wenige Berufsgruppen verhängt, ist der Sozialstaat als System kommunizierender Röhren auch dazu verpflichtet, die betroffenen Branchen für das erzwungene Sonderopfer fair zu kompensieren. An dieser Stelle sollte auch mit einem anderen Missverständnis aufgeräumt werden: Die rhetorisch perfekt geschulten Politiker haben durch das gebetsmühlenartige Wiederholen euphemistischer Framing-Phrasen zwar immer wieder geschickt insinuiert, dass es sich beim gezahlten Kurzarbeitergeld um ein großzügiges Geschenk der Regierung handelt. Allerdings ist dies ein geradezu bizarrer Irrglaube, der leider schon Teil eines völlig verschrobenen Kollektivwissens geworden ist. Beim Kurzarbeitergeld handelt es sich in Wahrheit nämlich um eine bereits im Vorfeld bezahlte Versicherungsleistung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen jeweils einen Beitrag von 2,4 Prozent des Lohns in die Arbeitslosenversicherung ein. Damit war das gezahlte Kurzarbeitergeld ein im Vorfeld bereits budgetierter Rechtsanspruch und keinesfalls ein edelmütiges Almosen der Bundesregierung! Sogar das Bundesarbeitsgericht ist in einem Urteil dieser Rechtsauffassung gefolgt. Der entscheidende Leitsatz im Urteil (Az. 5 AZR 211/21) lautet: „Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen.“