Streit um Lizenzrechte, gesperrte Webseiten, angeblich unbezahlte Rechnungen und ein Eklat über die einseitige Vergabe von Awards: Der deutsche „Gault Millau“ kommt einfach nicht aus den Schlagzeilen heraus. Jetzt sorgt auch noch Jochen Rädeker, der neue Deutschland-Chef des französischen Restaurantführers, für einen weiteren Aufreger, indem er der schwer gebeutelten deutschen Spitzengastronomie öffentlich vorwirft, gierig zu sein. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte der gelernte Grafikdesigner, der deutsche Gault Millau habe die Preisentwicklung seit dem Corona-Jahr 2020 in tausend deutschen Spitzenrestaurants genau analysiert und festgestellt, dass die Preise in den Top-Restaurants im Schnitt um 53 Prozent gestiegen seien, während der allgemeine Verbraucherpreisindex im Vergleichszeitraum nur um 19 Prozent zugelegt habe. Branchenfremde Zivilisten könnten aus dieser Aussage durchaus schlussfolgern, dass Gastronomen ihre Preise tatsächlich überproportional erhöht haben. Allerdings sind die für die Gastronomie wichtigsten Preistreiber wie Lebensmittel und Energie im Vergleich zum allgemeinen Verbraucherpreisindex extrem überdurchschnittlich gestiegen. Für Olivenöl zahlen wir beispielsweise satte +120 Prozent mehr als im Pre-Corona-Jahr 2019, für Gas +119 Prozent, für Mehl +67 Prozent, für Eier +54 Prozent und für Milch +137 Prozent. Auch sollte man nicht vergessen, dass die Mehrwertsteuer Anfang 2024 wieder um 171,43 Prozent erhöht wurde, Gaststättenmieten zumeist indexiert sind und die Schwerbehindertenabgabe um volle 100 Prozent angehoben wurde. Vor dem Hintergrund all dieser Fakten ist davon auszugehen, dass die allermeisten seriös arbeitenden Gastronomen ihre explodierenden Mehrkosten trotz einer durchschnittlichen Erhöhung von 53 Prozent nicht in vollem Umfang an ihre Gäste durchgereicht haben. Was der deutsche „Gault Millau“ übrigens nicht untersucht hat, sind die Preisunterschiede zwischen deutschen und französischen Spitzenrestaurants. Ansonsten wüsste Herr Rädeker, dass die Preise im Mutterland des Gault Millau in vergleichbaren Spitzenrestaurants deutlich höher sind, obwohl die französischen Gastronomen nur einen Bruchteil der Steuerlast tragen müssen, die hier in Deutschland anfällt. Der beliebte Chef’s-Pencil-Blog hat übrigens einmal genauer analysiert, in welchen Ländern es am teuersten ist, in Spitzenrestaurants zu speisen. Für Herrn Rädeker sicherlich vollkommen überraschend, landet Deutschland in diesem Teuer-Ranking nicht einmal in den Top Ten. Weltweit am teuersten isst man in Spitzenrestaurants in Dänemark, Singapur, Schweden, Japan, USA, China, UK, Frankreich, Schweiz und Italien – und zwar genau in dieser Reihenfolge. Wenn man sich jetzt noch in Erinnerung ruft, dass die deutsche Gastronomie nicht nur unter der weltweit höchsten Steuer- und Abgabenlast leidet, sondern darüber hinaus auch noch mit Abstand unter den höchsten Energie- und Bürokratiekosten, bekommt das erstaunliche Preisranking noch einen ganz besonderen Twist. Interessierte Leser, die wissen wollen, wie unglaublich gierig deutsche Wirte wirklich sind, sollten auch noch den hier angehängten Artikel lesen…
PS: In Frankreich gilt in Restaurants nicht nur der halbe Mehrwertsteuersatz auf Speisen, sondern auch auf alle alkoholfreien Getränke. Für alkoholfreie Getränke mit einem wiederverschließbaren Schraubverschluss, wie z.B. eine Flasche Wasser, gilt sogar ein nochmals stark reduzierter Mehrwertsteuersatz von nur 5,5 Prozent! In Deutschland hingegen gilt für alle alkoholischen und alkoholfreien Getränke der volle Mehrwertsteuersatz von satten 19 Prozent! Darüber hinaus werden Getränke wie Champagner, Cava, Prosecco und Crémant in Deutschland dann auch noch zusätzlich mit der sogenannten Schaumweinsteuer „on-top“ besteuert! Wer übrigens mehr über die absurde und mittlerweile völlig obsolete Schaumweinsteuer erfahren möchte, sollte auch noch den folgenden Artikel lesen…